MüMis Bloghouse

Spaltung und Zerrissenheit als bittere Bilanz der Flüchtlingspolitik

Deutschland im Sommer 2016 - vor dem Hintergrund der alles beherrschenden Flüchtlingsfrage mutet die Lage merkwürdig "verschoben" an. Das trifft nicht nur auf die gefühlte historische Epoche zu, in der wir zu leben meinen, sondern gilt ebenso für das neue geographische Umfeld, das uns zugewiesen ist, wie für den jenseits des Üblichen liegenden Aktionsbereich, auf den die Politik ihr aktuelles Hauptaugenmerk legt.

Was die Geschichte angeht, fühlt man sich angesichts der grassierenden alltäglichen Gefährdungen zuweilen ins Mittelalter zurückversetzt, mit No-Go-Areas nicht nur in Groß- sondern zunehmend auch in Mittelstädten. Die häusliche Geborgenheit ist selbst für bisher nicht Betroffene durch Berichte über marodierende Banden und den steilen Anstieg der Einbrüche in der Nachbarschaft dahin. Und auch wenn sich blutige Anschläge bei uns noch in Grenzen halten, verbreitet das aus den Nachrichten gespeiste Terrorpotential ein allgemeines Gefährdungsbewusstsein von Angst und Unsicherheit. Nicht von ungefähr ist die innere Sicherheit zu einem Topthema der Politik aufgestiegen.

Zur geographischen Lage verkündet die Bundesregierung, dass das eigentlich in Europa angesiedelte Deutschland neuerdings in die unmittelbare Nachbarschaft vorderasiatischer und afrikanischer Regionen gerückt sei. Und wir selbst haben den Eindruck, wenn wir von einer Reise zu unseren einst heimischen Bahnhöfen zurückkehren, auf dem finstersten Balkan oder im tiefsten Afrika gelandet zu sein.

In der aktuellen Politik geht es nicht wie in normalen Zeiten um die großen Themen der sozialen Sicherung, des wirtschaftlichen Fortkommens und der infrastrukturellen Vorhaben zur Zukunftssicherung des Landes. Stattdessen werden Legislative und Exekutive einschließlich der Rechtsprechung in Bund und Ländern fast ausschließlich mit den sich immer weiter auffächernden Problemfeldern der Flüchtlingskrise in Anspruch genommen. Als Zeichen dessen war dies praktisch das alleinige Thema, über das die Bundeskanzlerin in ihrem ARD-Sommerinterview zu berichten wusste. Man fragt sich, ob sich Politiker hierzulande noch daran erinnern, wozu sie eigentlich gewählt worden sind und worauf sie ihren Amtseid geschworen haben.

Angesichts dieser Selbstvergessenheit in Bezug auf das angestammte Pflichten- und Aufgabenpensum sieht sich nicht nur die Regierung sondern das politische Establishment insgesamt einem rapiden Abfall der Umfragewerte gegenüber. Auch wenn die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung bereits von Anbeginn auf den Widerstand weiter Bevölkerungskreise traf, gab es doch zunächst für den Kurs der Bundeskanzlerin bei Vielen, die ihren Zuversichtsbekundungen vertrauten, beträchtliche emotionale und tätige Unterstützung.

Diese ist inzwischen bei nicht wenigen ehemaligen Befürwortern des Merkelschen Weges in Unmut und Skepsis umgeschlagen, den Vizekanzler Gabriel eingeschlossen. Zu stark klaffen frühere Erwartungen, den Massenansturm von Flüchtlingen mit gutem Willen irgendwie in den Griff zu bekommen, und ernüchternde Erfahrungen auseinander, als dass sich Deutschland als inzwischen einziger Rettungsengel in Europa seinen Alleingang weiterhin leisten könnte und daher letztendlich zum Scheitern verurteilt ist.

Nachdem Thilo Sarrazin in einer Studie ermittelt hat, dass bei 1,07 Millionen Entscheidungen über Asylanträge, die von 2007 bis Mitte 2016 getroffen wurden, lediglich in weniger als 1 Prozent aller Fälle das Recht auf politisches Asyl gemäß Artikel 16a GG zugesprochen wurde und nur gut die Hälfte der Antragsteller ein Bleiberecht als Flüchtlinge oder einen Aufenthaltsstatus wegen subsidiären Schutzes erhielten, während bei fast der anderen Hälfte der Antrag abgelehnt wurde, wird dieses teuer erkaufte Zwischenergebnis deutscher Flüchtlingspolitik nicht gerade einen Stimmungsumschwung unter der Wahlbevölkerung herbeiführen. Zumal die rund eine halbe Million abgelehnter Bewerber dem deutschen Steuerzahler vermutlich weiterhin dauerhaft auf der Tasche liegen bleiben wird, weil die deutsche Abschiebepraxis und damit der deutsche Rechtsstaat mit ziemlicher Sicherheit vor den zum Teil kriminellen Vermeidungsstrategien der Migranten kapitulieren dürfte.

Sarrazins Nachweis, dass das deutsche Asylrecht damit zu einem Einfallstor für ungeregelte Einwanderung geworden ist, dürfte geeignet sein, das gesellschaftliche Klima nicht nur unter der alteingesessenen Bevölkerung, sondern mindestens genauso stark bei der großen Mehrheit der friedlich bei uns lebenden, unsere Kultur und unsere Gesetze achtenden Zuwanderer dauerhaft zu belasten. Dennoch ist seitens der Bundesregierung bisher keine Reaktion in Richtung einer Gesetzesinitiative zur Reform dieses in seiner jetzigen Fassung nicht mehr zeitgemäßen Rechtsstatuts erfolgt. Das ist auch auf absehbare Zeit kaum zu erwarten, da die Koalitionsampeln der Bundeskanzlerin für die Zeit nach der Bundestagswahl 2017 allzu offensichtlich auf Schwarz-Grün geschaltet sind und die Grünen im bestehenden Asylrecht trotz seiner erwiesenen Hinfälligkeit ein unantastbares Heiligtum sehen.

So gesellt sich das Reformversagen in Sachen Asylrecht zu den übrigen politischen Fehlleistungen, die angesichts ihrer Fülle und Vielfalt ohne eine gewisse Systematisierung in der Darstellung nicht auskommen und damit zugleich das Scheitern dieser Politik vor Augen führen. Zu dieser (unvollständigen) Mängelliste der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gehören vor allem die folgenden zehn Punkte:

  • Vorderasien und Afrika im Zusammenhang mit der Bewältigung der Migrantenströme der unmittelbaren deutschen Nachbarschaft zuzuordnen und damit eine politische Verantwortlichkeit Deutschlands zu reklamieren, die völkerrechtlich dem UNHCR obliegt
  • Deutschland, in das nach Gebietsabtretungen von einem Drittel seines Territoriums als Folge zweier Weltkriege die Bevölkerung dieser Gebiete als Opfer völkerrechtswidriger ethnischer Säuberungen hineingepresst wurde und das damit die höchste Bevölkerungsdichte unter den europäischen Flächenstaaten aufweist, zusätzlich zum Einwanderungsland vorderasiatischer und afrikanischer Völker zu erklären
  • gegen den Mehrheitswillen der einheimischen Bevölkerung jedem Ausländer, der darauf Anspruch erhebt, Zugriff auf das deutsche Sozialbudget zu gewähren, was durch den Multiplikatoreffekt bei großen Zuwanderer-Familienverbänden häufig zu dauerhaften absurd-hohen Finanzabflüssen in die Herkunftsländer der Migranten führt
  • den dem Christen- und Judentum gegenüber feindselig eingestellten Islam zur deutschen Nationalkultur zugehörig zu erklären
  • bei weichenstellenden Entscheidungen grundlegende völkerrechtliche Kriterien, die wie territoriale Integrität und Rechtsstaatsprinzip für die staatliche Souveränität stehen, zumindest zeitweilig mit der Begründung auszusetzen, dass dem Verfassungsrecht ein "Moralischer Imperativ" übergeordnet sei
  • die Behauptung, dass es zu den hohen Werten europäischer Kultur gehöre, unbegrenzte (überwiegend islamische) Einwanderung hinzunehmen bzw. zuzulassen, obgleich in der Europäischen Union außer der deutschen Bundesregierung nur eine verschwindend kleine Minderheit diese Auffassung vertritt, während sie von der großen Mehrheit der EU-Mitgliedsländer nicht geteilt wird
  • dem Asylrecht durch systematischen Missbrauch einerseits seine ihm ursprünglich zugedachte Schutzfunktion zu entziehen und es andererseits zur Ermöglichung massenhafter Einwanderung zu instrumentalisieren
  • gegen den Mehrheitswillen der Deutschen und Europäer (!) die unbegrenzte Aufnahmebereitschaft für überwiegend muslimische Migranten aus Vorderasien und Afrika zu bekunden und damit nicht nur eine Spaltung unter den Deutschen herbeizuführen, sondern darüber hinaus Deutschland in Europa zu isolieren und zusätzlich das europäische Einigungswerk aufs Spiel zu setzen
  • aus der willkürlichen Entscheidung, massenhafte ungeordnete und unbegrenzte islamische Einwanderung zuzulassen, bekannte, in die Zukunft weisende Entwicklungsfaktoren, wie die bei islamischen Völkern vergleichsweise deutlich höheren Geburtenraten auszublenden und damit die einheimische Bevölkerung einem auf der Zeitachse absehbaren Minderheitenstatus auszuliefern
  • dass der situativ sicherlich gut gemeinte aber inzwischen heiß umstrittene Motivierungsspruch der Bundeskanzlerin "Wir schaffen das!" peinlicherweise fast aufs Wort der Durchhalteparole des X. Parteitages der SED von 1981 "Das schaffen wir!" entspricht.

Es ist nicht schwer vorherzusagen, dass der deutschen Innenpolitik im Vorfeld kommender Wahlen in Bund und Ländern angesichts dieser Fülle kontroverser Themen ungemütliche Zeiten ins Haus stehen. In den zunehmend heftiger werdenden Auseinandersetzungen dürfte die Bundesregierung, die sich in ihrer Flüchtlingspolitik einer doppelten Abwehrfront, nicht nur im eigenen Land (und in den eigenen Reihen) sondern erst recht in Europa ausgesetzt sieht, einen besonders schweren Stand haben.

Die Gründe für diese Zerrissenheit bei einem Thema, das für viele Betrachter von existenzieller Bedeutung für den Bestand der Europäischen Union ist, dürften im asymmetrisch ausgeprägten Nationalbewusstsein der Deutschen einerseits und der Gesamtheit aller übrigen Europäer andererseits liegen. Die Neigung des in Deutschland tonangebenden rot-grünen Medien- und Politikverbundes zur Preisgabe der eigenen nationalen Identität, die im Schuldkult der 68er Bewegung wurzelt, steht der Auffassung aller übrigen EU-Mitglieder diametral entgegen, dass ein gefestigtes europäisches Haus stabiler nationaler Bausteine bedarf. Eine Bundesregierung, die diesen Zusammenhang geflissentlich übersieht, verfehlt den Anspruch, dem sich umsichtige politische Führung zu stellen hat - in Deutschland wie in Europa.

 
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