MüMis Bloghouse

Wie kommt die Wirtschaft aus der Energiekostenfalle?

 

Wer in der Schule in Biologie, Naturkunde und Physik aufgepasst hat, weiß, dass weder menschliches Leben noch alle übrigen Abläufe in der Natur ohne energetische Impulse denkbar sind. Das gilt auch für die Produktions- und Leistungsprozesse der Wirtschaft, die von den Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital (Maschinen) und Inanspruchnahme von Umwelt und Ressourcen inganggesetzt sowie vom „Vierten Faktor“ Energie angetrieben und am Laufen gehalten werden. Das Wissen um diese lebenswichtigen Zusammenhänge scheint dort, wo es für den Erhalt unserer Wirtschaft und unseres Wohlstands am dringendsten verfügbar sein sollte, bei der Bundesregierung und vor allem im Wirtschaftsministerium, verloren gegangen zu sein.

Mit einem Tunnelblick auf die Klimakrise wird nicht nur verdrängt, dass sie nur ein wenn auch wichtiger Themenbereich aus dem Kosmos der Problemfelder ist, deren sich die Politik anzunehmen hat. Es werden darüber hinaus durch Untätigkeit und Schluderei in wichtigen Politikbereichen in Jahrhunderten gewachsene zivilisatorische Errungenschaften der Rückentwicklung preisgegeben, die wie der Bildungssektor, das Gesundheitswesen oder die Innere Sicherheit früher einmal zu den Exzellenzfeldern deutscher Weltgeltung gehörten. Dazu gehörte bisher auch die deutsche Wirtschaft, die mit Wirtschaftswunder und Sozialer Marktwirtschaft zum Gütesiegel deutscher Identität schlechthin wurde. Die Stellung als einer der führenden Industrienationen der Welt dürfte spätestens seit Jahresmitte 2023 ins Wanken geraten sein, nachdem der Internationale Währungsfonds die Warnung aussprach, dass Deutschland Gefahr laufe, aus der Liga der Top 20 herauszufallen. Immerhin weisen 19 Länder dieser Spitzengruppe ein zum Teil ansehnliches Wachstum aus, während allein die Bundesrepublik am unteren Ende rangierend ins Minus geraten ist.

Führende Manager der Industrie sehen die deutsche Volkswirtschaft daher in einer „toxischen Lage“, weil mittlerweile zu viele Entwicklungslinien entgegen dem Trend bei den globalen Wettbewerbern bei uns in die falsche Richtung weisen: die sich ausbreitende Fehlallokation der Ressourcen im gesamten System, das Überborden der Bürokratie und Verschlafen der Digitalisierung, die im internationalen Vergleich stark drückenden Steuer- und Abgabenlasten sowie die weitgehend hausgemachten extrem hohen Energiekosten, schließlich die Überforderung von Bürgern und staatlicher Infrastruktur durch fahrlässiges Gewährenlassen unkontrollierter Massenzuwanderung aus aller Welt.

„Schicksalsfrage Energiekosten“ titelte eine führende deutsche Tageszeitung zu einer Dokumentation, in der aus wichtigen Branchen der Wirtschaft unisono berichtet wurde, in wie starkem Maße die Unternehmen mit massiv gestiegenen Strompreisen zu kämpfen haben. Nach Angaben der Chemiegewerkschaft IG BCE sind die deutschen Stromtarife siebenmal so hoch wie in China und viermal so hoch wie in den USA. Dass als Folge derart auseinanderklaffender Kostenstrukturen Produktionsverlagerungen von besonders energieintensiven Industrien wie der Chemie ins Ausland unabweisbar werden, liegt auf der Hand. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat errechnen lassen, dass sich die durchschnittlichen Energiekostenanteile deutscher Industrieunternehmen am Umsatz gegenüber dem Stand vor dem Ukraine-Krieg von 6 Prozent auf inzwischen 12 Prozent verdoppelt haben. Aus der Papierindustrie wird berichtet, dass dort der Energiekostenanteil auf fast 30 Prozent katapultiert wurde. Alles das zeigt, dass die rot-grüne Energiepolitik falsch im Ansatz und verfehlt in den Mitteln war und verheerend in den Folgen ist.

So war es ein Kardinalfehler der Regierung Scholz, das heimische Energieangebot nach der klimapolitischen Vorgabe der Dekarbonisierung und dem kriegsbedingten Ausfall des Russengases mit dem Ausstieg aus der Kernenergie noch weiter reduziert und auf diese Weise die vorhersehbare Marktreaktion einer Energiepreisexplosion unnötig verschärft zu haben. Ist man erst einmal auf der schiefen Bahn, ist der Weg zu weiteren Unsinnigkeiten offenbar nicht mehr weit. Die Idee von Wirtschaftsminister Habeck, die zu hohen Energiekosten zunächst für die Industrie durch Kostenübernahme aus dem Staatshaushalt aufzufangen, kommt einer wirtschafts- und ordnungspolitischen Bankrotterklärung gleich.

Die erste Frage, die sich stellt: Weiß Minister Habeck nicht, dass es sich um ein ordnungspolitisches „No go“ handelt, in einer Marktwirtschaft das Kostenregime von Industrieunternehmen auch nur teilweise auf den Staat zu übertragen? Die nächste Frage: Aus welchem neuen Sondervermögen sollen die 30 bis 50 Milliarden Euro bezahlt werden, die nach ersten Hochrechnungen für die Realisierung dieser fixen Idee anfallen würden? Aus den Bundes- und Länderhaushalten sicher nicht, die schon durch ausufernde sozialpolitische Beanspruchungen, zusätzlich durch über drei Millionen Migranten, deren Versorgungs-, Unterbringungs- und Integrationslasten in ihrer Gesamthöhe nicht umsonst der Geheimhaltung unterliegen, keine weiteren Spielräume bieten. Die dritte Frage wird von der Verbandsvorsitzenden der deutschen Familienunternehmen, Marie-Christine Ostermann, an das Gerechtigkeitscredo des Wirtschaftsministers gestellt: Warum sollen von einer Energiekostensubvention nur „die Großen“, die weniger als zweitausend Industrieunternehmen profitieren, während die über vierzigtausend mittelständischen Unternehmen, die den Herzschlag des Wirtschaftsstandorts Deutschland bestimmen, leer ausgehen sollen, obwohl sie zwei- bis dreimal so viel für die kWh zahlen müssen wie die Industrie? Wie Wirtschaftsminister Habeck das sich aus seinem fatalen energiepolitischen Ansatz ergebende Doppelrätsel – selbst verursachte Energielücke mit daraus folgendem Kostenschock – lösen will, steht in den Sternen.

Nach der reinen Lehre der Marktwirtschaft, wo der Preis die Resultante des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage ist, ist klar, in welche Richtung es gehen muss, wie es Energieexperte Christian Greinitz auf den Punkt bringt: „Einigkeit besteht immerhin darin, dass gegen die hohen Preise etwas passieren muss. Die Langfristlösung lautet, das Stromangebot auszuweiten.“ Dass dies mit einem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien zu leisten sei, scheint gemeinsames Mantra von rot-grüner Bundesregierung und den ihr nahestehenden Medien zu sein. Dem steht die Einschätzung der deutschen wie europäischen energiewirtschaftlichen Fachwelt im Verein mit der internationalen Fachpresse entgegen, dass es sich bei der Ausschließlichkeit dieser Zielsetzung um einen irrationalen und illusorischen Irrweg handelt.

Denn weder aus ökonomischen und physikalischen noch aus sozialen Gründen wird es jemals möglich sein, den Energiehunger eines Industrielandes wie Deutschland allein mit Wind und Sonne zu stillen. Selbst in der Elektrizitätserzeugung, wo es die Erneuerbaren infolge jahrzehntelanger massiver staatlicher Förderung bis fast an die 50-Prozent-Marke schafften, ist der Anteil aktuell auf 42 Prozent zurückgefallen. Beim Primärenergieverbrauch, in den alle Energiearten für sämtliche energetischen Nutzungsformen einer Volkswirtschaft eingehen, machen die Erneuerbaren Energien nach wie vor weniger als 20 Prozent aus. Das bedeutet, dass 80 Prozent des gesamten deutschen Energiebedarfs noch immer durch Kohle, Naturgas und Mineralöl gedeckt werden, nachdem die Kernenergie, die weltweit als wichtigster Problemlöser sicherer und kostengünstiger Energieversorgung gilt, ausgerechnet in Deutschland vom Netz genommen wurde, wo sie einst erfunden und wo das zuverlässigste Sicherheitskonzept ihres Betriebs entwickelt wurde. Das alles vor dem Zukunftsszenario, dass sich infolge geplanter totaler Elektrifizierung von Wirtschaft, privater Wärmeversorgung und PKW-Verkehr die Stromerzeugungskapazitäten in Zehnjahresfrist mindestens verdoppeln müssten. Wobei den dafür vorgesehenen Windkraft- und Solaranlagen die erforderliche Grundlastfähigkeit für ununterbrochene Massendarbietung fehlt, die nur durch einen die Erneuerbaren Energien flankierenden Ausbau von Gas- und Kernkraftwerken dargestellt werden kann, wie dies außer in Deutschland in allen Industriestaaten der Welt der Fall ist.

Je eher die Bundesregierung das Ruder herumzureißen bereit ist und erkennt, dass sie sich mit ihrer ausschließlich der Klimakrise gewidmeten Energiepolitik in eine Sackgasse manövriert hat, desto besser für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für die Zukunftsfähigkeit Europas. Da aufgrund der inzwischen durchgehend prohibitiven Produktionsbedingungen in Deutschland, nicht mehr tragbare Energiekostenbelastungen und eine immer größer werdende Unterdeckung des heimischen Stromangebots, über Produktionsverlagerungen ins Ausland nachgedacht wird, sind kurzfristige Entscheidungen zur Abwendung dieser Gefahr unausweichlich. Um zwei Dinge muss es für den die Leitlinien der Politik bestimmenden Bundeskanzler Scholz in erster Linie gehen. Das eine ist die Revitalisierung stillgelegter Kernkraftwerksblöcke, um vor allem einer dringenden Forderung  europäischer Energieverbände und Regierungen zu entsprechen, das andere ist der Startschuss zum unverzüglichen Bau neuer Gaskraftwerke. Dabei ist von Vorteil, dass Russengas über Dritte auch für Deutschland wieder verfügbar sein dürfte, nachdem sich etliche unserer Nachbarn in dieser existenziellen Versorgungsfrage den geopolitischen „fundamentals“ folgend von der Sanktionspolitik nicht mehr gehindert sehen, den traditionellen sibirischen Energie-Eisschrank Europas wieder in Anspruch zu nehmen.

 
-->