MüMis Bloghouse

Hart aber quer

Als Altkanzler Helmut Schmidt vor Jahren im Dresdner Schauspielhaus zum Aufstieg Chinas zu einer der führenden Wirtschaftsmächte der Welt referierte und dafür vom Auditorium mit stehenden Ovationen bedacht wurde, hatte er als einen der Gründe für diesen Erfolg eine einfache Erklärung anzubieten: „Die Chinesen haben denselben IQ wie ihr in Sachsen und wir in Hamburg“ und nach einem Zigarettenzug: „Aber sie sind fleißiger als wir und arbeiten länger.“

Mit den Argumenten von Einsatz, Fleiß und Leistung bei einer der einschlägigen Fernseh-Talkshows aufzutrumpfen, wenn es um die Diskussion wirtschaftlicher Grundfragen geht, würde heute demgegenüber sowohl bei den meisten Mitdiskutanten als auch bei der Mehrheit des Publikums Empörung auslösen.

Nachdem der Aufstieg Deutschlands zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt von außen als grandiose Gemeinschaftsleistung bewundert wird, haben weite Teile der politischen Klasse in Verbindung mit meinungsbildenden Medien hierzulande offenbar nichts besseres zu tun als der Wirtschaftsordnung, die dieses Ergebnis hervorbrachte, ständig die rote Karte zu zeigen.

Das Fatale an diesen Auseinandersetzungen ist, dass sie undifferenziert geführt werden und alles nur Mögliche in einen Topf gerührt wird, so dass am Ende Sachargumente ohne Chance bleiben. Wo es den Redakteuren der Talkrunden bei hochkomplexen Themen der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit entsprechender Auswahl der Teilnehmer vor allem um Dramaturgie und um das Hochkochen von Emotionen geht, muss der Respekt vor fachlicher Expertise automatisch auf der Strecke bleiben.

So wieder gesehen bei „Hart aber fair“, wo sich ein Flugkapitän der Lufthansa (der schon wegen des umstrittenen Pilotenstreiks schlechte Karten hatte) dafür rechtfertigen sollte, dass sein Einkommen nicht nur erheblich höher ist als das seines Boden- und Kabinenpersonals sondern auch das des gleichfalls in der Personenbeförderung tätigen Busfahrers oder Lokomotivführers. Sinngemäß lief die von Moderator Plasberg eingeblendete Statistik auf die Argumentation hinaus, der regelmäßig von Mümmelmannsberg zum Hauptbahnhof pendelnde Busfahrer transportiere schließlich viel mehr Passagiere als der von Hamburg nach Kapstadt oder Peking fliegende Pilot.

Wäre Herr Plasberg Mitarbeiter eines Woche für Woche um seine Existenz am Markt kämpfenden Unternehmens, müsste er für eine derart blamable und geschäftsschädigende Fehlleistung zu Recht um seinen Job bangen. Die sich in derselben Sendung als Heldin der Arbeit aufspielende Textilunternehmerin, die sich mit 10 Euro Stundenlohn zufrieden gibt, den sie auch ihren Mitarbeiterinnen zahlt, war offenbar mit den Verhältnissen in weiten Teilen der Wirtschaft nicht vertraut. Vielen jungen Chefs vor allem in der Kreativwirtschaft geht es in der Aufbauphase darum, sich mit ihrem Geschäftsmodell am Markt durchzusetzen. Da hat das Erwirtschaften der Gehälter der Mitarbeiter zunächst Priorität und der Jungunternehmer mag froh sein, wenn er es gemessen an seinem „Rund um die Uhr Einsatz“ überhaupt auf einen Stundenlohn von 10 Euro bringt.

Sicherlich gibt es an manchen Exzessen im Einkommensgefüge Kritik zu üben. Nicht selten wird in diesem Fällen geltendes Recht verletzt, so dass dem Rechtsstaat alle Möglichkeiten offenstehen, sanktionierend einzugreifen. Das Beklagen von zum Teil auch großen Einkommensunterschieden ist dagegen oft nur ein Zeichen dafür, dass in der persönlichen Weltsicht der Wert der Égalité gegenüber dem der Liberté höher eingeschätzt wird. Wem das Jahreseinkommen von VW-Chef Winterkorn mit 14 Millionen Euro als zu hoch erscheint, darf dabei nicht ausblenden, dass davon 7 Millionen Euro über den Fiskus in die Gemeinschaftskasse fließen, wodurch 300 Erwerbslosen Bürgern zu einem auskömmlichen Transfereinkommen verholfen wird.

Je höher die Einkünfte der Bürger, desto reicher der Staat. Was das in der Umkehrung konkret bedeutet, konnte man früher an den Verhältnissen in der DDR ablesen und kann man heute an den sozialen Zuständen in vielen Ländern der Welt, selbst in unserer südeuropäischen Nachbarschaft, besichtigen. Mit Blick durch die ideologische Brille wird gern übersehen, dass der archimedische Punkt, in dem die soziale Kraft unseres Wirtschaftsmodells verortet ist, im Freiraum für die Leistungsfähigen liegt, den zum Teilen erforderlichen Mehrwert überhaupt erst zu erwirtschaften, bevor er der solidarischen Einbindung der sozial Schwächeren zugutekommen kann.      

 
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