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EUROPAS DRAGHIK - Durch die Politik des billigen Geldes werden Verschwendung und Schlamperei auf Kosten der Sparer belohnt

Der Kampf um Werte und Wertvorstellungen ist das, was wir gemeinhin Politik nennen. Das gilt im Innern wie im Verhältnis zur Außenwelt. Seit Wochen ist der mediale Fokus auf das Gefährdungspotential gerichtet, das der zivilisierten Welt durch die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ droht. Darüber war ein für die politische Stabilität in Europa nicht minder wichtiges Thema, die Finanz- und Wirtschaftspolitik, für einige Zeit aus dem Blickfeld geraten.

Mit der französischen Regierungskrise, ausgelöst durch den Rücktritt des sozialistischen Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg, ist die Frage, wie es mit der überfälligen Strukturreform im Euroraum weitergehen soll, wieder in die oberen Ränge der politischen Agenda aufgerückt.

Wer die Fast-Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank und das sie begleitende Werben ihres italienischen Präsidenten Mario Draghi um Aufweichung der vereinbarten Haushaltsregeln als riskante Herausforderung der Stabilitätspolitik interpretiert hatte, sieht sich durch die Begründung des französischen Finanzministers für dessen Rücktritt bestätigt.

Nach dem Motto „Die Schulden hoch, die Augen fest geschlossen“ wirft Montebourg quasi als Sprecher der südeuropäischen Schuldenmacherallianz den Nordeuropäern und insbesondere der Bundesregierung vor, mit der Politik des Haushaltens und Sparens eine „destruktive Ideologie“ zu verbreiten, die von „maßlosen Obsessionen“ getragen sei. Man fühlt sich an die hasserfüllten Parolen aus Griechenland während der Rettungsschirmdebatte 2013 erinnert.

Weniger polemisch, in der Sache aber aufs Gleiche gerichtet, zerren Italien und Frankreich seit Monaten an den Defizitregeln. Dort wird der Honig der Niedrigzinspolitik offenbar weniger als Hilfe bei der Tilgung der bisher horrende aufgetürmten Schuldenstände, sondern mehr als Anreiz gesehen, mit dem „Leben über die Verhältnisse“ ungebremst fortzufahren.

In diesem Sinne dürften in Europas Süden die beiden Grundsatzreferate aufgenommen worden sein, die Mario Draghi im Juli in London und im August im amerikanischen Jackson Hole gehalten hat. Während er von Amerika aus an die Eurostaaten appellierte, ihre konservative Haltung zur Fiskalpolitik zu überdenken (was nur heißen konnte, die Sparziele zu lockern), brachte er in London eine gemeinsame „Governance“ der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik ins Spiel.

Nach dieser Idee sollen durch zentrale Steuerung an den nationalen Regierungen vorbei die notwendigen Strukturreformen kontrollierter vorangetrieben werden können. Wobei es das Geheimnis des EZB-Präsidenten blieb, wie ein gemeinsames Politikprogramm aussehen müsste, das gleichermaßen den Schuldenmachern auf die Sprünge hilft und den Sparwilligen den verdienten Lohn ihrer Anstrengungen zugutekommen lässt.

So nachvollziehbar die Sorgen Mario Draghis um Fortschritte bei der Strukturreform sowie um mehr Wachstum und weniger Arbeitslosigkeit in Europa sind, so diffus mutet sein Selbstverständnis von der Rolle an, die er als Notenbankpräsident spielen sollte. Einzig und allein für die Stabilität der ihm anvertrauten Währung sollte der oberste Währungshüter Europas Verantwortung tragen. Die operative Wirtschafts- und Finanzpolitik sollte er denen überlassen, die dafür ihre hochdotierten Ämter innehaben.

Die Zinspolitik der gemeinschaftlichen Notenbank an der Schuldenlastfähigkeit der überschuldeten Südeuropäer auszurichten ist so verfehlt, wie es die Erwartung ist, mit immer billiger werdendem Geld die Wirtschaft ankurbeln zu können. Es reicht eben nicht, wie schon Karl Schiller wusste, die Pferde an die Tränke zu führen, sie müssen auch saufen wollen. Wachstum, das lehrt die Geschichte, braucht statt billigem Geld Vertrauen in eine stabilitätsorientierte Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Also das genaue Gegenteil von der per Notenpresse aufgepumpten Finanzblase, vor der nicht nur konservative Banker schon seit geraumer Zeit das Grausen bekommen.

Es sollte zu denken geben, wenn die Notenbank aller Notenbanken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesichts der sich abzeichnenden Übertreibungen an den Finanzmärkten die Alarmglocken läutet. Sie warnt davor, den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik nicht noch weiter aufzuschieben und fordert lieber heute als morgen die Leitzinsen wieder anzuheben.

Auf die Lage in Deutschland bezogen ist es im Übrigen schwer nachvollziehbar, wie der Bundesfinanzminister die aufgrund der EZB-Zinspolitik seit 2007 eingesparten 120 Milliarden Euro Tilgungsleistungen für die Staatsschuld als volkswirtschaftlichen Gewinn herausstellen kann, ohne dabei den hohen Preis zu erwähnen, mit dem diese „Entlastung“ tatsächlich bezahlt werden musste: mit den Vermögensverlusten von Millionen von Sparbürgern, die das Nullzins-Abenteuer der europäischen Währungshüter unter hoheitlichem Zwang mit erheblichen Einbußen in ihrer Alterssicherung bezahlen müssen.

 
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