MüMis Bloghouse

Freizügigkeit und Sozialmissbrauch nicht über einen Kamm scheren

Der Streit um das in den EU-Verträgen verbriefte Recht für Unternehmen und Arbeitnehmer, sich im gesamten EU-Raum am Ort ihrer Wahl niederzulassen bzw. ihrer Berufstätigkeit nachzugehen, schlägt unversehens hohe Wellen. Nachdem diese Frage über lange Zeiten keinen Konfliktstoff bot und unbestritten war, weil die Freizügigkeit von Mensch und Kapital die denkbar besten Voraussetzungen für wirtschaftliche Wohlstandsmehrung für alle Beteiligten bietet, hat sich die Situation nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur EU schlagartig geändert.

Bei genauem Hinsehen geht es aber weder der britischen Regierung noch anderen von der Problematik besonders betroffenen EU-Mitgliedsländern bei ihrer Forderung nach Einwanderungsbegrenzung keineswegs per se um ein Aufkündigen jener Freizügigkeitsregelungen, die für jede demokratisch verfasste Ordnung konstitutiv und unanfechtbar sind. Das Thema ist stattdessen die inzwischen erreichte Größenordnung der Armutseinwanderung aus den neuen Mitgliedsländern, die infolge ihres Unvermögens, ausreichende Sozialstandards für ihre Bevölkerungen vorzuhalten, ihr Staatsversagen unverblümt ihren neuen EU-Nachbarn vor die Tür gekippt haben.

Von der Sache her wäre es ein Leichtes gewesen, Arbeitnehmerfreizügigkeit und Sozialmissbrauch von Beginn an sorgfältig auseinanderzuhalten, gäbe es hierzulande nicht jene um Deutungshoheit bemühte rot-rot-grüne Meinungspolizei, die nicht nur in ihren Parteibüros sondern auch in gleichgefärbten Netzwerken in den öffentlich-rechtlichen Medien ihres unseligen Amtes waltet. Statt die Kommunen in ihrem Kampf um Budgetsicherung für ihre angestammten Aufgaben beim Erhalt und Ausbau der sozialen Infrastrukturen – Straßen, Schulen, Kitas etc. – zu unterstützen, werden diese genötigt, ihre begrenzten Mittel in den Aufbau von Slum-Zonen einschließlich der Ernährung und Gesundheitsversorgung zehntausender minderbemittelter Zuwanderer umzulenken.

Und das unter den besonders prekären Umständen, unter denen praktisch jede Stadt und jede Gemeinde in Deutschland leidet, weil ihre Kräfte mit der Unterbringung von Flüchtlings- und Asylantenströmen aus dem Nahen Osten und aus Afrika bereits voll absorbiert sind. Es schreit zum Himmel, wenn angesichts dieser auf Dauer unzumutbaren Zustände und Überforderungen den Kommunalverwaltungen und der in Mitleidenschaft gezogenen Bevölkerung von den Hohepriestern des Multikulturalismus auch noch mangelnde Hilfsbereitschaft und „Fremdenfeindlichkeit“ vorgeworfen wird.

Wenn es um das Anprangern der tatsächlich Verantwortlichen für das sich ausbreitende soziale Chaos gibt (allein im Berliner Bezirk Neukölln sind als Folge ungeordneter Zuwanderung bereits heute Menschen aus 160 Nationen zusammengepfercht), dann sind die Bundesregierung und die EU-Kommission ins Visier zu nehmen. Man fragt sich, wozu wir die zur Regelung dieser Probleme eingerichteten nationalen und europäischen Bürokratien mit ihren prall gefüllten Fördertöpfen eigentlich geschaffen haben, wenn wir stattdessen Zeugen archaischer Umwälzungen werden, bei denen sich die sozialen Ungleichgewichte unseres Kontinents in ungezügelten Völkerwanderungen Bahn brechen.

Was spricht eigentlich dagegen, die aus unseren Steuergeldern zusammengetragenen EU-Fördermittel den notleidenden Bevölkerungsgruppen in Rumänien, Bulgarien und anderswo durch EU-kontrollierte Investitionsprogramme direkt in ihrer angestammten Heimat zugutekommen zu lassen, statt unsere Städte und Gemeinden mit sozialen und finanziellen Aufgaben zu überfordern, für die sie nicht geschaffen wurden – mit den bekannten Folgen anhaltender Störungen des sozialen Friedens und der Rechtssicherheit?

Was spricht weiterhin dagegen, die nach EU-Recht bestehenden Missbrauchsregelungen auch tatsächlich anzuwenden und die Freizügigkeitsrechte, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, für jene Arbeitnehmer zu sichern, die im Aufnahmeland einen Arbeitsplatz nachweisen können? Warum wird von eilfertigen Kommentatoren der öffentlich-rechtlichen Medien, denen das Verdikt der Fremdenfeindlichkeit allzu leicht über die Lippen geht, oder gar von den Öffentlichkeitsarbeitern der Bundesregierung einschließlich der Kommunikationsstäbe der EU-Kommission nicht stärker über das gültige EU-Recht informiert?

Zum Beispiel darüber, dass Zuwanderer ohne Aussicht auf berufliche Tätigkeit nicht länger als drei Monate in einem anderen EU-Land bleiben dürfen. Schließlich wurde das Recht auf Freizügigkeit politisch für das Arbeiten, Investieren, Bilden und Reisen erkämpft – nicht für das Betteln. Wenn in dieser Hinsicht neue Ansätze zur konkreten Problemlösung auf den runden EU-Tisch kommen, hat der Vorstoß der britischen Regierung zur Einhegung des überbordenden Sozialtourismus in Europa vielleicht doch etwas Gutes bewirkt.

In diesem Zusammenhang zur Lektüre empfohlen: Paul Collier „EXODUS – Warum wir Einwanderung neu regeln müssen“ und Heinz Buschkowsky „Die andere Gesellschaft“.  

 
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