MüMis Bloghouse

Wie steht es um die Zukunftstauglichkeit unserer Wirtschaft? (1)

Bei oberflächlicher Betrachtung herrscht über den Zustand und die Leistungskraft unserer Wirtschaft eitel Freude. Die Konjunkturdaten für Wachstum, Arbeitsmarkt, Exporte und Preisstabilität könnten besser nicht sein. Auch hat die Konsumlaune nach längerer Flaute wieder Fahrt aufgenommen und läuft mit der Partystimmung auf dem Börsenparkett aufs Beste zusammen.

Gäbe es die unangenehmen Störfeuer des GdL-Streiks, der Koalitionskrise um die BND-Affäre sowie der abendlichen TV-Schreckensbilder von IS-Kämpfen in Nahost und vom afrikanischen Exodus gen Europa nicht, könnte man sich zufrieden zurücklehnen. Doch da gibt es noch einen weiteren Stimmungsblocker, der einem Rundum-Wohlgefühl entgegensteht. Es ist ein Blick in den Maschinenraum unserer Volkswirtschaft, der dem wirtschaftlichen Laien nicht offensteht, der aber Kundigen zusätzlich zu den genannten Gründen Anlass zur Sorge über die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft hierzulande gibt.

Nicht in spektakulärer Manier aber doch unablässig ist Sand ins Getriebe unserer Wirtschaft geraten, vor allem durch politische Fehlsteuerungen in der Arbeitsmarkt-, Energie- und Währungspolitik. Dabei entbehrt es nicht einer bitteren Ironie, dass etliche der heute für diese Bereiche verantwortlichen Politiker zwar auf die hervorragenden Konjunkturdaten verweisen, dabei aber verdrängen, dass diesen Erfolgen Entscheidungen früherer Bundesregierungen zugrunde liegen, die sie heute mit systemwidrigem Interventionismus und Bürokratismus wieder in die entgegengesetzte Richtung zu lenken bestrebt sind.

Staatliche Preisregulierungen, ob auf den Arbeits-, Wohnungs- oder Energiemärkten sind so wenig geeignet, Deutschland als europäische Wirtschaftslokomotive unter Volldampf zu halten, wie es die Umkehr in der Rentenpolitik angesichts der unübersehbaren demographischen Herausforderungen ist. Der von der Absicht her zwar gutgemeinte aber in seiner Wirkung unsoziale Mindestlohn steht exemplarisch für einen Politikansatz, der die Regeln der Sozialen Marktwirtschaft missachtend zu kontraproduktiven Ergebnissen führt.

Zeugt es schon von ideologischer Verirrung, in einem der wohlhabendsten Länder der Welt mit einem allseits bewunderten stabilen Einkommensgefüge bei gleichzeitiger Hochbeschäftigung die planwirtschaftliche Keule staatlicher Lohnpolitik zu schwingen, verwundert das Ausmaß an Ignoranz und Inkompetenz, mit denen im sensiblen Bereich geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse der Einstieg in den Arbeitsmarkt blockiert wird und andererseits Zuverdienstmöglichkeiten in gemeinnützigen Tätigkeiten zunichte gemacht werden. Denn trotz allgemein florierender Beschäftigungslage und bei geringster Jugendarbeitslosigkeit im gesamten EU-Raum ist es seit Inkrafttreten der Mindestlohnregelung ausgerechnet im prekären Arbeitsmarktsektor der Minijobs, die für den Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt eine wichtige Funktion erfüllen, zu markanten Beschäftigungseinbrüchen gekommen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der erhebliche Rückgang der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse nach Einführung der Mindestlohnregelung entweder dem Wegfall dieser Jobs oder der Abwanderung in die Schattenwirtschaft zuzuschreiben ist.

Auch der ansonsten vielgepriesenen Zivilgesellschaft wird praktisch der Boden entzogen, wenn außerhalb regulärer Arbeitsverträge angebotene Zuverdienstmöglichkeiten für Auszubildende, Praktikanten und Rentner mit dem Mindestlohndekret abgeschafft werden. In vielen dieser Fälle, ob Botendienste, Nachhilfeunterricht oder Zeitungszustellung, bei denen die geringen Produktivitäten keine höheren Entlohnungen zulassen, geht es nicht um wirtschaftliche Existenzsicherung sondern um Zusatzjobs, die Ausdruck einer freien Gesellschaft sind und bei deren Zustandekommen der Staat nichts zu suchen haben sollte. Es ist ein deutliches Anzeichen für falsche politische Weichenstellung, wenn sich selbst gemeinnützige Dienstleister wie die Caritas gegen die mit dem Mindestlohn einhergehende Kostenexplosion für Bereitschaftsdienste in der Jugend- und Behindertenhilfe zur Wehr setzen.

Es ist auch nicht einzusehen, weshalb sich der Staat im Falle regulärer Arbeitsverträge als Kontrollinstanz mit entsprechend wuchernder Bürokratie für die Einhaltung von Lohnabschlüssen sieht, wo wir doch in einer bewährten korporativen Ordnung leben, die nicht zuletzt durch Mitbestimmungsrechte von Gewerkschaften, Betriebsräten und Sozialgesetzgebung geprägt ist. Wer klein- und mittelständische Unternehmen nur aus Gründen ideologischen Misstrauens mit überbordender Bürokratie überzieht, darf sich über Politikverdrossenheit und mickrige Umfragewerte nicht wundern, zumal von den heute 43 Millionen Beschäftigten rund 80 Prozent in diesem Teil der Wirtschaft in Lohn und Brot stehen. Schlimm genug ist es jedenfalls, wenn es der Generalsekretärin jener Partei, die für den Mindestlohn und seine negativen Begleiterscheinungen steht, passend erscheint, dem Ärger der Wirtschaft über bürokratische Zumutungen mit Beschimpfung der Betroffenen zu begegnen.

Mit dem Argument, dass physisch anspruchsvolle Handwerksberufe, wie z.B. Dachdecker, im Alter von 63 Jahren nicht mehr ausgeübt werden können, wurde die mit Mühe durchgesetzte Erhöhung des Renteneintrittsalters wieder auf Frühverrentung zurückgeführt, obgleich Demographie, Ausstattung der Rentenkasse und Arbeitsmarkt dagegen sprachen. Schon heute ist der Steuerzuschuss des Bundes zur Rentenversicherung von jährlich über 80 Milliarden Euro der mit Abstand höchste Posten im Bundeshaushalt.

Als hätte man das Ergebnis nicht vorhersehen können, ist die abschlagfreie Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren (unter Anrechnung auch beitragsfreier Zeiten) zum Hit der Saison geworden. Doppelt so viele Arbeitnehmer wie angenommen machen von dem großzügigen, aber von der Rentenkasse nicht gedeckten Rentenangebot Gebrauch. Zudem führt die „Rente mit Salto rückwärts“ zu neuen Ungerechtigkeiten, denn sie wird überwiegend von gut verdienenden Berufstätigen aus Verwaltungsberufen, dem Öffentlichen Dienst und von Finanzdienstleistern genutzt, während sich gewerbliche und handwerkliche Berufe wie Maurer, Schweißer und Dreher die Frühverrentung im Normalfall gar nicht leisten können. Ein erneuter Beleg dafür, dass planwirtschaftlicher Interventionismus in einer auf Bürgerfreiheit beruhenden Ordnung in der Regel unbeabsichtigte Wirkungen zeitigt, die neue Probleme schaffen statt die alten zu lösen.

 
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