Differenzierte Reformansätze in der Beschäftigungspolitik

Die größten Chancen der Krisenbewältigung bieten sich der „Reformpolitik des sozialen Marktes“ im Kampf gegen die Unterbeschäftigung. Hier kann bereits die differenzierte Behandlung der von Arbeitslosigkeit betroffenen Gruppen ein entscheidender Lösungsansatz sein. Es gibt nicht die Arbeitslosigkeit schlechthin, sondern vier Formen von Unterbeschäftigung, die mit unterschiedlichen Reformansätzen anzugehen sind: Jugendarbeitslosigkeit, Facharbeiter- und Akademikerarbeitslosigkeit, Vorruhestands- und Seniorenarbeitslosigkeit sowie Unterbeschäftigung im Niedriglohnsektor.

Die kritischste, weil die Sozialsysteme am stärksten belastende Arbeitslosigkeit ist die Unterbeschäftigung im Niedriglohnsektor. Hier kann das Entlohnungs- und Beschäftigungsmodell des multiplen Dienstleistungsschecks (Multischeck) als arbeitsmarktpolitische Brücke zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit in ihrem Kernbereich zum Zuge kommen. Der Multischeck generiert im Problembereich der Niedriglohnarbeit Vollzeittätigkeit durch Zulassung mehrfacher Beschäftigungsverhältnisse in belastungsgerecht zugeschnittenen Teilzeitjobs, die unter diesen Umständen in Privathaushalten, im Kleingewerbe, im Dienstleistungssektor, in Kommunen und in gemeinnützigen Einrichtungen in ausreichendem Umfang verfügbar sind.

Indirekt setzt der Multischeck eine Mindestlohnregelung in Kraft, deren ordnungspolitische Unverfänglichkeit in der formlosen Übereinkunft von Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, dass für die Zahlung eines 400-Euro-Monatsschecks in etwa eine 12-Stunden-Wochenleistung erwartet wird. Für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse kommt der Schecklohn „brutto gleich netto“ zur Auszahlung, da Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge von Dritten gesponsert werden. Die pauschale Lohnsteuer von 15 Prozent übernimmt (als einzige Lohnnebenlast bei dieser Beschäftigungsart) der Arbeitgeber. Die Sozialversicherungsbeiträge werden von nichtbedürftigen Schecklohn-Beziehern, die bereits anspruchsberechtigt für Sozialversicherungsleistungen sind und die diese Einkommensart als Zuerwerbsquelle nutzen, in einen Solidarfonds zur sozialen Absicherung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse eingezahlt. Mit dieser Methode "gelebter Solidarität" werden den Staatshaushalt belastende und wettbewerbspolitisch fragwürdige Kombilohn–Modelle umgangen.

Die mit dem Multischeck ermöglichte Initialzündung für Massenbeschäftigung und Massenkaufkraft im Niedriglohnbereich, die mit erheblicher Entlastung von Sozialkassen und Staatshaushalt und nicht zuletzt mit Rückgewinnung von Selbstwertgefühl für unverschuldet aus dem Erwerbsleben ausgeschlossene Mitbürger verbunden ist, sollte es lohnend erscheinen lassen, bei einem bisher unlösbar erscheinenden Problem einen unkonventionellen Versuch zu wagen.

aus: Wolfgang Müller-Michaelis, Neue Wege zu mehr Beschäftigung, Resch-Verlag, Gräfelfing 2007

 
    

 
-->