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Europa sichern - Die Europäische Union neu erfinden

Die Europäische Union (EU) befindet sich mit ihren 28 Mitgliedsländern in der größten Krise ihres Bestehens. Sie ist existenziell. Die EU-Verträge von Maastricht, Lissabon und Dublin sind faktisch außer Kraft. Großbritannien ist kurz davor, die EU zu verlassen. Österreich schmiedet über EU-Grenzen hinaus autonom mit den Balkanländern Notfallpläne, um der Zuwanderungskrise Herr zu werden. Risse in der EU, wohin man sieht. Sie sind spätestens seit dem Ausbruch der Finanz- und Staatsschuldenkrise sichtbar und konnten bisher nur gekittet werden, weil Deutschland den Großteil der Finanzlasten trägt und im faktischen Haftungsverbund als letzter Zahler angesehen wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht mit allen Mitteln die überschuldeten Euro-Südländer über Wasser zu halten und Zeit zu gewinnen. Grenzenlose Schuldenfinanzierung und Nullzinspolitik zu Lasten der Bürger bzw. der Sparer sind stille Enteignungsinstrumente, die eine gesunde Altersvorsorge mit Geldvermögen verhindern und Verarmung im Alter provozieren.

Die Befunde sind Ergebnis einer missratenen EU, die sich in Jahrzehnten zu einem administrativen Monster mit Alleinvertretungsanspruch entwickelt hat. Die Bürokratie in Brüssel agiert dirigistisch, fernab von marktwirtschaftlichen Prinzipien, und sie ist dem Lobbyismus verfallen. Die Umverteilungsunion ist in ihrem jetzigen Zuschnitt unreformierbar. Dabei befindet sie sich auf demokratisch dünnem Eis. Das Europäische Parlament ist weder demokratisch zusammengesetzt noch mit einer Kontrollkompetenz ausgestattet, vielmehr gilt es als Papiertiger mit demokratischem Feigenblatt für die EU-Kommission und den EU-Rat. Der Europäische Gerichtshof überlagert nationales Recht. EU-Recht geht vor, auch vor nationalem Verfassungsrecht. Dagegen gibt es kein Rechtsmittel.

Die Verantwortlichen in der EU entziehen sich mangels institutioneller Kontrolle der national begrenzten und demokratisch kontrollierbaren Politik, mit der Folge, dass ursprünglich souveräne Mitgliedsländer unmündig geworden und unter Gruppenzwang in gegenseitige Abhängigkeit geraten sind.

Die Bundesregierung, allen voran die Bundeskanzlerin, ist noch nicht auf dem Weg der Einsicht. Sie arbeitet sich an einer vermeintlichen Kollektivschuld des deutschen Volkes ab, die unsere Nachbarländer nur in Staunen versetzt, und fordert im EU-Flüchtlingsstreit europäische Solidarität ein, statt die fundamentalen strukturellen Defizite in der EU zu erkennen

Wir Bürger hängen an einem friedvollen Europa, fühlen uns aber mit unseren Sorgen um den Verlust von personaler Freiheit und Sicherheit allein gelassen, bevormundet und gegängelt. Dennoch: Uns kann der gefährliche Zustand der EU nicht recht sein. Wir müssen alles dafür tun, um die EU vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren.

Ein Kurswechsel ist überfällig, die Rückkehr zu einer konsistenten Europapolitik notwendig. Die öffentliche Abkehr vom dominant deutschen Traum einer „immer engeren Union“ mit dem Ziel der „Vereinigten Staaten in Europa“ ist ein Gebot des Augenblicks.

Was ist zu tun? Pragmatiker präferieren ein Innehalten der europäischen Einigung und eine Politik der Ausnahmen nach praktischen Aspekten. Doch Ausnahmen hier, Reförmchen da, reichen nicht. Kein Mitgliedsland der EU kann sich auf Dauer an der Grundfrage vorbeimogeln: Wollen wir einen Bundesstaat „Vereinigte Staaten von Europa“ oder eine „Europäische Union souveräner Staaten“?

Wollen wir die eigene Staatssouveränität zugunsten einer EU völlig aufgeben und eine einheitliche Wirtschafts- und Finanzpolitik versuchen sowie eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik? Oder streben wir eine flexible lose europäische Interessengemeinschaft an? Diese nach der Maxime der Subsidiarität: Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, personale Entfaltung der Fähigkeiten. Eingebunden in die EU-Grundwertecharta, den Grundprinzipien der OSZE und dem Verteidigungsbündnis der NATO als Basis der transatlantischen Sicherheitsarchitektur. Mit einem selbstbewussten Deutschland im freundschaftlichen Verhältnis zu den europäischen Nachbarn und den USA.

Wir müssen die EU dringend neu erfinden, um sie zu stabilisieren und wetterfest zu machen. Vor allem aber dauerhaft festigen, um die Menschen in Europa neu zu gewinnen. Mit einem klaren Bekenntnis zu einem Europa der Vaterländer, der Regionen und der Vielfalt. Mit Menschen, die die bürgerferne EU-Zwangsbeglückung satt haben und sich mit einem freien Europa identifizieren wollen. Der völligen Entmachtung der nationalen Parlamente ist ein Ende zu setzen, damit die Bürger die EU nicht mehr als feindliche Macht empfinden, die sie gegen ihren Willen beständig weiter entmündigt und ihre kulturellen Eigenheiten angreift.

Die Briten haben das mit dem für Juni geplanten Referendum über den EU-Verbleib oder Austritt klar erkannt. Während Premierminister David Cameron für den Verbleib des Vereinigten Königreichs mit den beim EU-Gipfel im Februar ausgehandelten Ausnahmen plädiert, sagt der Londoner Bürgermeister Boris Johnson klipp und klar: „Es gibt nur einen Weg, und das ist der Austritt. Die ganze EU-Geschichte zeigt, dass sie einem Volk nur zuhören werden, wenn es nein sagt. Das fundamentale Problem bleibt: dass sie ein Ideal haben, das wir nicht teilen. Sie wollen einen echten Bundesstaat schaffen, e pluribus unum, anders als die meisten Briten.“

Was wollen wir? Meine Antwort: Ein friedliches funktionierendes Europa, das die Freiheit der Menschen fördert und die unterschiedlichen Interessenlagen der Länder in Europa achtet. Daher sollten wir in Deutschland die Parteien auffordern zu erklären, dass der Weg der „immer engeren Union“ nicht mehr verfolgt wird, frei nach dem Leitsatz: “So viel nationale Souveränität wie möglich, so viel EU und NATO wie nötig.” Mit den Grundwerten: Freiheit, Rechtstaatlichkeit, Demokratie, Bürgernähe, Marktwirtschaft (statt planwirtschaftlich-sozialistischer Gängelung).

Wirtschaftspolitisch haben die Mitgliedsstaaten sodann freie Hand darüber zu befinden, ob sie eher marktwirtschaftliche Prinzipien mit freiem Unternehmertum verfolgen wollen oder vorrangig etatistische, dirigistische Ansätze mit staatlichen Interventionen und Investitionen. Der Liberalismus englischer Prägung und der deutsche Ordoliberalismus mit der sozialen Marktwirtschaft stehen so etwa im freien Wettbewerb mit der französischen und italienischen mehr staatswirtschaftlichen Orientierung. Mit der Präferenz für Selbstverantwortung fördern wir unsere wirtschaftspolitischen Interessen. Wir stärken unsere Wettbewerbsfähigkeit, bauen Bürokratie ab und erlangen wieder politische Souveränität. Mit der Migration von Arbeitskräften, ohne aber eine ungebremste Einwanderung ins Sozialsystem zuzulassen.

Die Neuerfindung einer robusten „Union der Freiwilligen“ bedeutet: Wer nicht mitmachen will, darf ohne Diskriminierung und Sanktionen die EU verlassen. Auch der Euro muss auf neuer vertraglicher Basis den Status der Pflichtwährung verlieren. In Konsequenz ist den bereits im Euro befindlichen Ländern ein Ausstiegsrecht einzuräumen. Schließlich bedeutet sie: Das EU-Parlament kann aufgelöst und die Brüsseler Administration drastisch verschlankt werden.

Die Macht des Faktischen und des Augenblicks werden es richten.

 
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