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Populismus einmal anders betrachtet

In der klugen Analyse von Peter Rásonyi mit dem Titel „Alternativen für Deutschland“ (Neue Zürcher Zeitung v. 12. März 2016) wird auch charakterisiert, was „Populismus“ sei: Gezieltes Schüren von Provokationen und Emotionen, um rasch zur Durchsetzung eigener Sichtweisen und Meinungsführerschaft zu gelangen. Das erscheint mir ein wichtiges Kriterium für „Populismus“ zu sein: Die eigenen egoistischen Ziele. Populistisches Denken ist vordergründiges Denken unter Vernachlässigung komplexer Zusammenhänge. Sachverstand ist nicht nötig, da man die Argumente verwendet, die von einem „gesunden Volksempfinden“ (eine Formulierung der Nazis) vorgegeben werden. Populismus hat also etwas mit Demagogie und einer diffusen Einbildung zu tun. Er ist „weniger“ als eine Mehrheitsmeinung. Er vernachlässigt langfristige Einflüsse und Folgen.

Ein gutes Beispiel für eine diesen Kriterien folgende "populistische" Handlung war die von der Bundeskanzlerin spontan verkündete Energiewende. Sie hat die Angst vor einem atomaren Unfall genutzt, um die gesamte Energiewirtschaft total umzukrempeln, ohne Rücksicht auf Kosten, Abstimmungen mit anderen EU-Staaten, fehlende Netze, tatsächlichen Nutzen (wenn alle Nachbarstaaten und alle Welt weiterhin Kernkraftwerke betreiben). Dabei war es gar nicht nötig, eine momentane „Stimmung“ (Fukushima) zu nutzen. Die Vorbehalte in der deutschen Gesellschaft gegen die Kernenergie sind so tief, dass es gereicht hätte, das prinzipielle Ziel zu verkünden und dann die Strategie zu entwickeln, um das Ziel zu erreichen.

In meinem Leserbrief (FAZ vom 9.3.16) beschreibe ich die Bundeskanzlerin als in der DDR sozialisiert. Die einzige Regierungsform, die sie kennengelernt hat, war die einer allein herrschenden Partei. Gewiss stand sie in Opposition zu den „Fehlern“ dieser Partei. Doch sie hat nicht begriffen, dass die Fehler der SED eine fast zwangsläufige Folge der Alleinherrschaft waren. Sie hat nicht begriffen, dass es einen grundsätzlichen Unterschied gibt zwischen dem Widerstand gegen eine Diktatur und der Opposition in einer parlamentarischen Demokratie. Sie weiß nichts von einer Arroganz der Macht und der Verführung durch die Macht. Sie kennt nicht die Gefährdung desjenigen, der „ganz oben“ steht, durch den Verlust an Selbstkritik, durch Eitelkeit und durch die fehlende Zivilcourage der schmeichelnden Umgebung. Vielleicht ist für die Bundeskanzlerin die quasi Alleinherrschaft einer Großen Koalition die ideale Regierungsform. Eine Opposition stört dabei nur, so wie der Hund den Spaziergänger störend anbellt. Dabei ist doch eine starke Opposition eine Kraftquelle für das Land – durch ihre Ideen und durch den dadurch entstehenden Wettbewerb um die besten Ideen. NZZ vom 12.3.16: „Druck von rechts wie von links ist willkommen, da er den politischen Wettbewerb stärkt und die Parteien zur Schärfung ihres Profils zwingt.“

Die Bundeskanzlerin setzt dagegen: „Was ich mache ist alternativlos“ und „Ich habe keinen Plan B, denn das würde bedeuten, dass ich nicht an den Plan A glaube“. Das sind wörtliche Zitate, abgedruckt in der FAZ. Man könnte das als Geschwätz abtun. Ich setze meine obige These dagegen. Für die SED war die eigene Politik alternativlos, und vielleicht hat Honecker tatsächlich daran geglaubt, dass die Mauer noch in 100 Jahren stünde.

Das bedeutet keine Gleichsetzung der Bundeskanzlerin mit der SED-Herrschaft. Das möchte ich betonen, und das wäre ja auch schrecklich. Auch die Bundeskanzlerin würde das weit von sich weisen: Ihre Politik sei alternativlos, weil sie es (im Unterschied zur SED) richtig mache, und das, woran sie glaube, sei die Vernunft (im Unterschied zum dummen Honecker)

Kann man eine solche Einstellung als Ausdruck einer höheren staatsmännischen Weisheit gelten lassen? Zumindest kann man daran Zweifel haben, ohne von der Staatsmacht heute dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Und das ist am Ende dann doch der tröstliche Unterschied.

 
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