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Französisch als europäische lingua franca

Zu meinem Leserbrief in der FAZ vom Samstag 28. Mai 2016, in dem ich kritisch zur französischen Vorherrschaft in der europäischen Geld- und Finanzpolitik Stellung genommen habe, erreicht uns die Zuschrift von Ralf Scheible aus Köln, der auf den französischen Führungsanspruch auch im Bereich von Kultur und Sprache hinweist. 

 

Sie legen in Ihrem Leserbrief zurecht den Finger auf das französische Ordnungsmodell, mit dem Deutschland ausgestochen worden ist.

Allerdings ist das nicht der einzige Aspekt, der deutlich macht, wie wenig souverän auch unsere derzeitige Regierung im Verhältnis zum Nachbarn ist, wie bereitwillig sie sich diesem Nachbar unterwirft. Die deutsche Sprache ist weitgehend aus dem Lehrplan der französischen Schulen durch die Bildungsministerin N. Vallaud-Belkacem entfernt worden. Lediglich an einigen Schulen im Raum Paris wird sie aus touristischen Gründe und um die Bundeskanzlerin ein wenig zu trösten in den Grundschulen neuerdings angeboten. Ein Häppchen!

Nahezu jeder Englischlehrer der weiterführenden deutschen Schulen beklagt, dass schon in der Grundschule ein wenig am Englischen geschnüffelt wird, was jedoch keineswegs das sich anschließende intensive Erlernen der englischen Sprache erleichtert. Folgt man dem Urteil vieler Fachlehrer, erschwert es eher das nachhaltige Erlernen dieser Fremdsprache. So dürfte es auch bei der versuchten Scheinkorrektur, Deutsch in den französischen Grundschulden in und um Paris anzubieten, der Fall sein. Da lässt sich natürlich in zynischer Art und Weise antworten, dass diese Gefahr in Frankreich nicht bestehe, weil es keine Fortsetzung gibt. Die deutsche Bildungsministerin Prof. Dr. Wanka kommentierte den Wegfall des Deutschunterrichts in Frankreich mit der Kurzmeldung der überregionalen Zeitungen, „sie sei für Deutschunterricht an französischen Schulen“. Das war wie ein Donnerschlag! Oder? Auch das dürfte ein Beweis unserer Ohnmacht im Verhältnis beider Länder sein.

Es gibt nichts, was sich offensichtlich nicht noch steigern ließe: Präsident Hollande rief die deutschen Schüler und Schülerinnen auf, nunmehr verstärkt Französisch zu erlernen. Diesen Appell haben sich in neuer, noch stärkerer Intensität die deutsch-französischen Gesellschaften zur Aufgabe gemacht. Von öffentlich demonstrierten Preisverleihungen bis hin zu geradezu weihevollen, an religiöse Akte erinnernden Lesewettbewerben in französischer Sprache, die sich „einen Deut“ um die vielzitierte Gleichheit oder sogar Integration kümmern, wird die ‚Deutsch-Missachtung‘ der Franzosen durch Förderung des Französischen beantwortet.

Die Medien sind verstummt und, wie gewohnt, verklären sie anstatt aufzuklären. Die Regierung, von anderen bedrängenden Problemen überlastet, schert sich um solche Kleinigkeiten (!) nicht mehr, falls sie dies überhaupt je als bedeutsam erachtet hat. Die Wirtschaft sponsert den französischen Spracherwerb in naiver Meinung, um so das Miteinander zu fördern. Die Gesellschaft döst: „War ja schon immer so!“ Nur einer könnte sich freuen, wenn er noch lebte, nämlich General de Gaulle. Sein Traum war ein europäisches Europa der Vaterländer, geprägt von der französischen Kultur und der französischen Sprache als lingua franca.

Nicht alle Träume werden wahr, denn bekanntlich ist Englisch und neuerdings vor allem Spanisch längst Weltsprache. Unsere Schüler und Schülerinnen üben das Provinzielle, die französischen Schüler erlernen an Stelle der deutschen Sprache die beiden gerade erwähnten Weltsprachen.

Ein gekonntes Sprachenordnungsmodell!

 
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