Mümis Bloghouse - Gäste Blog

Alle sind gleich, einige sind gleicher

Manuela Schwesig (SPD), vormalige Bundesfamilienministerin und vor wenigen Wochen zur Ministerpräsidentin von „Meck-Pomm“ gekürt, hat Vorbilder, wenn sie ihren Sohn jetzt nicht auf eine staatliche Regelschule, sondern auf eine Privatschule schickt. Viele andere – übrigens nicht nur aus ihrer Partei – haben es ihr vorgemacht: Sie haben ihre Kinder nicht auf eine Schule des von ihnen politisch propagierten und zu verantwortenden Schulsystems gegeben – also nicht in eine Einheitsschule, sondern aufs Gymnasium, nicht in eine staatliche Schule, sondern in eine private, zum Beispiel eine Waldorfschule.

Hannelore Kraft (2010 bis 2017 SPD-Ministerpräsidentin in NRW) hat es getan. Zwar hat sie nichts unversucht gelassen, zusammen mit den Grünen das differenzierte Schulwesen zu rasieren und dem angeblich ach so elitären Gymnasium den Garaus zu machen. Ihren Sohn hat sie gleichwohl auf ein Gymnasium geschickt. Vorbild war ihr dabei einer ihrer ganz prominenten Vorgänger: Johannes Rau (1978 bis 1998 SPD-MP von NRW und von 1999 bis 2004 Bundespräsident) hat seine Kinder nicht einer von seiner Partei aggressiv favorisierten Gesamtschule überlassen, sondern sowohl in seiner NRW-Zeit wie in seiner Berliner Zeit einem Gymnasium anvertraut. Aber so war und ist das mal gang und gäbe in der NRW-SPD: Von sechs Mitgliedern des Vorstandes der SPD-Landtagsfraktion gingen die Kinder von bis zu fünfen auf ein Gymnasium. Andrea Ypsilanti (SPD-Spitzenkandidatin zur Hessenwahl von 2008) hat es gegen die Grundsätze ihrer Partei ebenfalls geschafft, ihr Kind auf eine private Schule zu schicken. Vielleicht wollte sie ihrem Kind eine Schule ersparen, wie sie sie nach einem möglichen Wahlsieg angestrebt hätte.

Katharina Schwabedissen, von 2008 bis 2012 Vorstandssprecherin der NRW-Linken, hat es ebenso getan. Sie hat ihre zwei Söhne auf eine Privatschule geschickt. Andreas Stoch (SPD), von 2013 bis 2016 Baden-Württembergs Kultusminister und seitdem SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag, wusste offenbar zu gut, welche Schulpolitik seine Partei ansteuerte; deshalb gab er seine Kinder auf eine Waldorfschule. Und damit wir parteipolitisch halbwegs neutral bleiben, mal ein Beispiel aus der CSU: Bayerns von 1998 bis 2005 amtierende Kultusministerin Monika Hohlmeier schickte ihre Kinder nicht auf eine Schule des von ihr öffentlich heftigst verteidigten gegliederten Schulwesens (also eine Hauptschule oder eine Realschule oder ein Gymnasium), sondern auf eine Waldorfschule. Inoffizielle Begründung: Sie wollte ihre Kinder keinen „linken“ Lehrern aussetzen.

Ja, so ist es mit so manchen „unserer“ Politiker: Wasser predigen und Wein trinken. „Zwiedenken“ praktizieren – mal so für sich, mal anders für die Masse denken. Mit gespaltener Zunge reden. Eine Willkommenskultur herbeisehnen, aber in Beverly-Hills-Lagen wohnen. Von Willkommensklassen schwärmen, aber die Kinder auf Schulen mit geringsten Migrantenanteilen entsenden. Von der angeblichen sozialen Selektivität des Igittigitt-Gymnasiums schwadronieren, selbst aber ein Beispiel an sozialer Selektivität abgeben. Einheitsschule (im Gewande der Gesamt- oder Gemeinschaftsschule oder des „längeren gemeinsamen“ Lernens) propagieren, aber die empirisch nachgewiesene durchschlagende Erfolglosigkeit dieser Schulformen nur für sich selbst und für die Schulwahl der eigenen Kinder zur Kenntnis zu nehmen.

Ähnliches gilt für das Ausweichen auf Privatschulen (etwa Gymnasien freier Trägerschaft oder Waldorfschulen). Dort ist man hinsichtlich sozialer Provenienz der Eltern- und Schülerschaft unter sich. Willkommensklassen oder 50-prozentige Migrantenanteile gibt es dort nicht. Denn das Leistungsvermögen dieser Schulen kann das Motiv eher nicht sein. Privatschulen schneiden bei Schulleistungstests schließlich nicht besser ab – trotz einer sozial recht homogenen Schülerschaft. Sofern man die Testergebnisse dieser Schulen überhaupt zu Gesicht bekommt. Von den Waldorfschulen etwa ist bislang kein Pisa-Ergebnis bekannt geworden, wiewohl angeblich welche an diesem Test beteiligt waren.

Apropos Waldorfschulen, die an vielen Orten nach wie vor „Steiner“-Schulen heißen: Während deutschlandweit Kasernen, Straßen, Plätze, Gebäude, Schulen wegen tatsächlicher oder vermeintlich politisch unkorrekter Vergangenheit ihrer Namenspatrone umbenannt werden, denkt niemand daran, den Waldorfschulen den Namen „Steiner“ zu nehmen. Und das in einer Zeit, in der geradezu hysterisch nach jedem Zipfelchenverdacht von tatsächlichem oder vermeintlichem rassistischem Denken gefahndet wird. Es sei jedenfalls nicht ganz vergessen, was Rudolf Steiner (1861 – 1925), der Begründer und Übervater der Waldorfpädagogik, in seinem 354 Titel umfassenden Gesamtwerk über verschiedene Menschenrassen von sich gab. Steiner hatte etwa die Rassen in Schwarze mit „Hinterhirn“ und „Triebleben“, in Gelbe mit „Mittelhirn“ und „Gefühlsleben“ und in Weiße mit „Vorderhirn“ und „Denkleben“ katalogisiert. Gemäß Steiner sei diese Rassengliederung kosmologisch begründet und von den Atlantis-Mysterienführern ins Werk gesetzt. Nun denn!

Okay, die Schulwahl ist das Recht der Eltern. Das gilt auch für Politiker als Eltern. Und gewiss sollen deren Kinder die zu ihnen passende Schulbildung bekommen – ohne Rücksicht auf ihre Familienherkunft. Aber wenn schon, dann denn schon: Dann sollten vor allem linkgestrickte Politiker endlich aufhören, eine Schulpolitik zu betreiben, die den Nebenzweck haben könnte, Kinder aus dem Prekariat von der Schule der eigenen Kinder fernzuhalten.

 

Der Beitrag von Josef Kraus ist am 7. September 2017 in „Tichys Einblick“ erschienen

 
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