1906 wurde das etwa 34 Meter hohe und damit deutschlandweit höchste Bismarck-Standbild beim Millerntor in Hamburg eingeweiht. Bismarck wird als Roland in Rüstung mit Umhang um die Schultern gezeigt. Beide Hände fassen den Griff des vor seinem Körper aufgestellten Schwertes. 100 Granitblöcke mit einem Gewicht von je 5 bis 10 Tonnen wurden verarbeitet. Der Kopf wurde aus einem 20 Tonnen schweren Granitblock angefertigt. Die Firma Philipp Holzmann baute das Denkmal für 368 000 Reichsmark unter Anleitung der Künstler Hugo Lederer (Figur) und Emil Schaudt (Unterbau). Das Denkmal wurde durch Spenden aus dem Reich finanziert und vor dem 1. Weltkrieg alle 14 Tage bengalisch beleuchtet.
Die Hamburger Münze ließ eine Medaille zum Gedächtnis an die Entstehung des Denkmals prägen. Der Entwurf stammt von dem berühmten Bildhauer Ernst Barlach. Insgesamt wurden vorwiegend nach Bismarcks Tod 1898 etwa 925 Bismarck-Türme, Standbilder, Büsten, Gedenksteine und Ehrungen an Wänden hergestellt.
Jetzt nach 114 Jahren soll das Denkmal für neun Millionen Euro gereinigt und saniert werden. Im Rahmen der „Black lives matter“-Bewegung ist eine Rassismus-Debatte entstanden, die sich auch gegen Bismarck richtet. Akteure sind Gruppierungen wie: „Intervention Bismarck-Denkmal Hamburg“, „Decolonice Bismarck“ und „Otto must fall“.
Die Sanierung kann aus Gründen des Denkmalschutzes nicht aufgehalten werden. Einige Kommunalpolitiker fordern eine längerfristig kritische und damit gegen Bismarck gerichtete Auseinandersetzung. Bei der Rassismus-Debatte geht es um die Deutungshoheit, was im öffentlichen Raum erwünscht oder nicht erwünscht ist. Das hat die DDR schon vorgemacht und sprengte im Oktober 1958 Bismarcks Geburtshaus, das Schloss Schönhausen. Nur der Eckturm blieb erhalten.
Zeittafel zu Otto von Bismarck
1.4.1815 Geburt in Schönhausen bei Stendal
1862 Preußischer Ministerpräsident
18.1.1871 Reichsgründung in Versailles, Reichskanzler
1888 Tod von Wilhelm I. , Tod von Kaiser Friedrich III.,
Regierungsantritt von Kaiser Wilhelm II. (1888 bis 1918)
1890 Entlassung Bismarcks durch Wilhelm II. 30.7.
1898 Tod in Friedrichsruh
Historische Ereignisse sind Folgen von politischen Entscheidungen und reichen oft weit zurück. Der größenwahnsinnige Napoleon überzog Europa von 1791 bis 1813 mit Krieg. 3,5 Millionen Soldaten verloren ihr Leben.
Nach seiner Niederlage kam es zum Wiener Kongress (1814/15). Der österreichische Kaiser Franz I. erhob seinen Minister Metternich in den erblichen Fürstenstand. Metternich leitete den Wiener Kongress und strebte in Mitteleuropa ein Gleichgewichtssystem unter österreichischer Führung an. Für die von Russland ausgegangene Befreiung Europas von Napoleon erhielt Russland den größten Teil Polens (Kongresspolen). Frankreich wurde wieder in den Kreis der Großmächte aufgenommen.
35 deutsche Kleinstaaten = souveräne Fürsten und vier reichsfreie Städte blieben übrig. Der Deutsche Bund wurde gegründet und das staatenbündische System des von Napoleon aufgelösten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation fortgesetzt. In Frankfurt tagte ab 1816 die Bundesversammlung.
Der geistige, politische und soziale Gärungsprozess in Deutschland ging weiter. Unter dem Einfluss hauptsächlich von Johann Gottlieb Fichte, Theologe und Philosoph, erster gewählter Rektor der Berliner Universität, Ernst Moritz Arndt, Theologe, Dichter und politischer Schriftsteller, Prof. in Greifswald und Friedrich Ludwig Jahn, Schöpfer der deutschen Turnbewegung, entwickelte sich unter der akademischen Jugend ein deutscher Idealismus, der einen einheitlichen deutschen Staat anstrebte.
Beim Wartburgfest der deutschen Burschenschaft wurden 1817 fast alle persönlichen Freiheitsrechte gefordert, die heute im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland stehen. Sie waren von der Wartburg-Deklaration über die Frankfurter Paulskirchenverfassung 1849 in die Weimarer Reichsverfassung von 1919 und schließlich in das Bonner Grundgesetz von 1949 gelangt.
Auch die Farben Schwarz-Rot-Gold haben einen Bezug zur Geschichte der Burschenschaften, denn sie gehen auf die Uniformfarben des Lützower Freikorps zurück, in dem sich viele Burschenschafter sammelten, um gegen Napoleon zu kämpfen (schwarzer Rock mit roten Aufschlägen und goldenfarbigen Knöpfen).
Durch die restaurative Politik Metternichs kam es in ganz Europa, so auch in Deutschland, zu Unruhen. Diese führten zum Hambacher Fest 1832, einer Volksversammlung von einigen zehntausend Teilnehmern vor dem Hambacher Schloss. Hier wurde zum ersten Mal die schwarz-rot-goldene Fahne gezeigt. Auch die polnischen Farben Weiß-Rot waren vertreten, weil polnische Freiheitskämpfer nach der Niederschlagung von Aufständen durch den russischen Zaren nach Deutschland geflohen und zur Teilnahme eingeladen waren. Richard Wagner komponierte ihnen zu Ehren seine Sinfonie „Noch ist Polen nicht verloren“.
1862 wurde Bismarck preußischer Ministerpräsident. Dänemark erhielt beim Wiener Kongress Holstein und Lauenburg. Der dänische König Friedrich VII. war König des dänischen Staates und zugleich deutscher Bundesfürst für Holstein und Lauenburg. Nach seinem Tod 1863 wollte sein Nachfolger Christian IX. Holstein und Lauenburg annektieren. Darauf beschloss im Jahr 1864 die Frankfurter Bundesversammlung einen Krieg gegen Dänemark. Preußen und Österreich mobilisierten ihre Truppen. Die Preußen siegten über die Dänen bei den Düppeler Schanzen.
Österreich wollte einen neuen Bundesstaat Schleswig-Holstein unter Führung des Herzogs der Linie Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg. Die Erbfolge von Holstein sollte dem Bundesurteil, also der Bundesversammlung unterworfen werden, um Preußen zu schwächen. Bismarck wollte aber Schleswig-Holstein an Preußen angliedern. Es kam zur siegreichen Schlacht der Preußen über Österreich bei Königgrätz. Damit war eine Vereinigung des Deutschen Bundes und ab 1871 des Deutschen Reiches mit dem Vielvölkerstaat Österreich ausgeschlossen. 1867 gründete Bismarck den Norddeutschen Bund, einen Zusammenschluss von 18 norddeutschen Ländern zu einem Bundesstaat.
Nach der Vertreibung der spanischen Königin Isabella II. 1868 war der Thron vakant. Am 2. Juli 1870 entschied das spanische Ministerium für die Thronfolge über den Nachfolger. Der Erbprinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen wurde ausgesucht. Die Franzosen fühlten sich eingekreist. Der forsch auftretende französische Botschafter in Berlin, Graf Benedetti, belästigte den preußischen König Wilhelm I., der sich zur Erholung in Bad Ems aufhielt. Er erhielt wohl auf Wunsch der Königin Augusta viermal eine Audienz beim König. Bismarck wurde über die Gespräche mit einem Telegramm, das er kürzte und veröffentlichte, unterrichtet.
Der König sollte sich nach der Bismarckschen Formulierung verpflichten, „niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn Hohenzollern auf ihre Kandidatur zurückkommen sollten. Seine Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, dass Seine Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen habe.“
Napoleon III., Neffe von Napoleon, erklärte nach dieser als Emser Depesche in die Geschichte eingegangenen Korrespondenz eine Woche später Preußen den Krieg. Die Emser Depesche war nur ein Vorwand der französischen Regierung für die Kriegserklärung, um die deutsche Einheit auf Kosten der französischen Machtstellung zu verhindern. Auch glaubten die Franzosen an die Überlegenheit ihrer französischen Waffen. Es folgte die Niederlage Frankreichs und die Gefangenschaft von Napoleon III. nach der Schlacht bei Sedan (2.9.1870). Das Deutsche Reich wurde am 18. Januar 1871 in Versailles gegründet. Der preußische König Wilhelm I. wurde von den versammelten Fürsten zum Kaiser des ersten geeinten deutschen Staates ausgerufen.
Frankreich musste 5 Milliarden Goldfranken Reparationen zahlen. Im Deutschen Reich folgte die Gründerzeit. Im Vergleich dazu musste das Deutsche Reich über 132 Milliarden Goldmark Reparationen nach 1. Weltkrieg mit all den dramatischen wirtschaftlichen und politischen Folgen zahlen. Elsass-Lothringen kam wieder an das Reich. Es war die Korrektur der Eroberungen von Ludwig XIV., der 1679 Elsass-Lothringen überfallen und sich einverleibt hatte. 1681 wurde von ihm Straßburg besetzt. Metternich, Talleyrand und Goethe haben dort studiert. 1689 zerstörte Ludwig XIV. auch das Heidelberger Schloss.
1884 stellte das Reich das Gebiet, das der Bremer Kaufmann Lüderitz in Afrika erworben hatte, unter deutschen Schutz. 1885 gründete Carl Peters die Gesellschaft für deutsche Kolonisation in Ostafrika. Durch Schutzverträge mit den einheimischen Fürsten hatte er diese Gebiete erworben. Ihm wurde ein kaiserlicher Schutzbrief ausgestellt. Bismarck sah in deutschen Kolonien keine Erweiterung des deutschen Herrschaftsbereichs und wollte keine militärischen Stützpunkte, sondern ausschließlich Stützpunkte für den deutschen Handel, die den deutschen Kaufleuten im überseeischen Konkurrenzkampf mit den Kaufleuten anderer Nationen vor allem gegenüber den Engländern einen Rückhalt geben sollten. Auf keinen Fall sollten die Kolonien zu einem neuen Ausgabenposten im Reichsetat werden. Private Gesellschaften sollten die Verwaltungen selbst übernehmen.
Zum Schutz möglicher deutscher Kolonien hielt Bismarck die deutsche Marine für zu klein und außerdem waren keine Beamten für die Verwaltung von Kolonien ausgebildet. Eine reichseigene Kolonialverwaltung gab es erst nach Bismarcks Entlassung am 20. März 1890. Bismarck blieb, obwohl er in den Jahren 1884/85 vorübergehend eine aktivere Kolonialpolitik betrieben hatte, bei einer vorsichtigen europäischen Sicherheitspolitik und hielt ständigen Kontakt mit England. Am 1. August 1890 wurde der Helgoland-Sansibar-Vertrag mit England unterzeichnet. In diesem Vertrag räumte Deutschland in Ostafrika den Engländern das Protektorat = Schutzherrschaft über die Insel Sansibar ein. Dafür trat England die Insel Helgoland an Deutschland ab und gewährte für Deutsch-Südwestafrika einen Zugang zum Sambesi, den „Caprivi-Zipfel.“ Die englischen Kolonien umfassten ein Viertel der Landfläche der Erde. Etwa 3,5 Millionen Afrikaner wurden von den Engländern als Sklaven verschleppt.
Der belgische König Philippe hat sich im Juli 2020 für die Gräueltaten der Belgier im Kongo entschuldigt. Dort gab es die größte natürliche Fläche an Bäumen mit Kautschuk-Ranken. Einheimische, die zu wenig Kautschuk ablieferten, wurden ausgepeitscht oder erschossen. Zwischen 1880 und 1920 wurden 8 bis 10 Millionen Kongolesen ermordet.
Von der Sozialdemokratie befürchtete Bismarck ernsthaft eine unmittelbare revolutionäre Bedrohung der monarchisch-konservativen Ordnung Europas. 1878 gab es zwei Attentate auf Wilhelm I., die aber nicht mit den Sozialdemokraten in Verbindung standen. Die Sozialistengesetze waren gegen „die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ gerichtet. Die Gültigkeit wurde auf zweieinhalb Jahre beschränkt, aber bis 1890 immer wieder verlängert.
Trotz der Sozialistengesetze konnten auch weiterhin sozialdemokratische Abgeordnete gewählt werden. Die verbotenen Parteiorganisationen wurden durch Arbeitersportvereine, Gesangvereine und freiwillige Hilfskassen teilweise ersetzt. Die sozialdemokratische Publizistik wurde in der Schweiz gedruckt und durch die „Rote Feldpost“ im Reich verteilt. 1887 erhielt die SPD 763 000, im Jahr 1890 1,4 Millionen Wählerstimmen.
Bismarck vertrat die Auffassung, dass der Staat die ausschließliche Rechtsquelle sei und dass ihm auch das Kirchenrecht unterliege. Die katholische Kirche dagegen verlangte die volle Freiheit der Kirche mit eigener Rechtsprechung. Das Problem haben wir heute noch mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Es gab dann einige Milderungsgesetze und eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Preußen und der Kurie.
1883 wurde als erste Arbeiterversicherung die Krankenversicherung eingeführt, deren Kosten je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitern aufzubringen waren. 1884 folgte die Unfallversicherung und 1889 die Alters- und Invalidenversicherung. Bei der Invalidenversicherung leistete das Reich finanzielle Zuschüsse. Eine Anerkennung in der Arbeiterschaft fanden die Sozialversicherungen erst nach dem Sturz Bismarcks und nach dem Fall der Sozialistengesetze. Zum Vergleich: Erst 22 Jahre vorher wurde 1861 in Russland die Leibeigenschaft aufgegeben. Bei der Leibeigenschaft war es die persönliche Pflicht des Leibeigenen zur Abgabe von Naturalien und Diensten an den Gutsherren, der auch die Strafgewalt hatte.
Weder in seinen „Gedanken und Erinnerungen“, noch in seinen parlamentarischen Reden (ca. 2000 Seiten) findet man Ansätze für einen Antisemitismus. Bismarcks Finanzberater war der jüdische Bankier Gerson Bleichröder, der als erster deutscher Jude ohne Übertritt zum Christentum geadelt wurde. Auch der ehemalige Erlanger Historiker Prof. Hans Joachim Schoeps, einer der besten Preußenkenner und selbst jüdischen Glaubens, hat nichts Negatives darüber geschrieben.
Bismarck war sicherlich kein Demokrat im heutigen Sinne. Das entsprach auch nicht der damaligen Verfassung, aber wer Bismarcks parlamentarische Reden gelesen hat, kann nicht behaupten, dass er ein Antidemokrat gewesen ist. Zum 80. Geburtstag von Bismarck ernannten ihn 450 Städte zum Ehrenbürger, 9875 Telegramme und 450 000 Briefe erreichten Friedrichsruh. Zehntausende pilgerten nach Friedrichsruh, um Glückwünsche zu überbringen.
Zum Schluss der vielzitierte Halbsatz aus einer zweistündigen Grundsatzrede Bismarcks von 1888: „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt…“
Im Kaiserreich wurde dieser Halbsatz aus einer gewissen Überheblichkeit und später aus Boshaftigkeit allein zitiert. Dabei wurde der zweite Halbsatz meistens verschwiegen: „…und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt.“