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Solche "Öffentlich-Rechtlichen" braucht niemand

Die „Öffentlich Rechtlichen“ (ÖRR), insbesondere die 21 Fernseh- und 74 Radiosender, tragen in der offenen Gesellschaft mit ihrer parlamentarischen Demokratie als „Vierte Gewalt“ und als Massenmedien eine besondere Kontrollverantwortung. Dazu zählt eine ideologiefreie, zeitnahe und umfassende Informationspolitik, eine faire, ausgewogene und gründlich recherchierte Berichterstattung - ohne Ansehen der Person, der Organisation und Institution sowie unabhängig von der eigenen oder herrschenden Meinung.

Um ein Eigenleben des ÖRR mit Vetternwirtschaft und Selbstbedienungsmentalität zu Lasten eines Qualitätsjournalismus sowie einen Expansionsdrang zu Lasten der Medienvielfalt zu verhindern, brauchen die mit über 8 Milliarden Gebühren finanzierten „Kontrollierenden“ selbst „Kontrolle“.

Der F.A.Z., die im Unterschied zum ÖRR ihre finanziellen Mittel erst erwirtschaften muss, danke ich, dass sie zur notwendigen Transparenz des ÖRR beiträgt. Helmut Hartung hat zu Recht unterstrichen, dass Rundfunk-, Fernseh- und Verwaltungsräte als ehrenamtliche Kontrolleure nicht nur mehr Macht brauchen, sondern auch mehr medienpolitische Kompetenz und Qualifizierung, mehr Expertenwissen und Expertenerfahrung, effektive Geschäftsstellen, um ihre Gesamtverantwortung gegenüber den Anstalten effektiver und effizienter wahrnehmen zu können.

Um jedoch reale Kooperationsbereitschaft auf Augenhöhe mit den ÖRR-Mächtigen zu ermöglichen, vor allem einen Wandel im Blick auf das journalistische Leistungs- und Angebotsspektrum, auf Strukturen, Abläufe und Ergebnisse sowie transparentes und wirtschaftliches Denken, ist die reale Unabhängigkeit der Räte entscheidend: Ein Kontrolleur, der „Staatsferne“ und „Vielfaltssicherung“ repräsentieren und erfahrbar machen soll, sollte nicht nur engagiert und kompetent sein, sondern auch mit möglichen Eigeninteressen frei und souverän zugunsten seines Kontrollauftrages umgehen, auf keinen Fall in eine persönliche Interessenkollision geraten können.

Michael Hanfeld weist darauf hin, dass die Politik den ÖRR „hätschelt“ und „tätschelt“. Auch die verantwortlichen Spitzenpolitiker und Parlamente, die den ÖRR legitimieren, müssen unabhängiger und freier von Eigeninteressen werden, damit sie undemokratische und pseudoelitäre Deutungshoheiten und Meinungsmonopole des ÖRR besser entlarven und bekämpfen können. Und sie sollten hörbares Sprachrohr der Bürger sein, wenn der ÖRR sie leise oder vernehmbar einseitig erziehen will, z.B. im Blick auf das Gendern (in einer Sendung wurde vor tagen im ÖRR die eingeladene Frau mit „Gästin“ begrüßt).

Reformen sind notwendig; gleichzeitig braucht der ÖRR ein journalistisches Ethos, an dem sich alle orientieren können. Und das erlebbar ist: Unabhängige und freie Journalisten, die sich nicht instrumentalisieren lassen, sich nicht als Bündnispartner einer Weltanschauung, „befreundeter“ Gruppen, Medien oder Parteien verstehen, auch selbst nicht moralisieren oder manipulieren, sondern möglichst die ganze, komplexe und komplizierte Lebenswirklichkeit abzubilden versuchen, damit der Bürger sich eine eigene Meinung bilden kann.

 

Der Text ist am 19. August 2022 als Leserbrief in der FAZ erschienen

 
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