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Zur Ankündigung der Mandatsniederlegung Wolfgang Bosbach MdB

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wolfgang Bosbach!  

Sie sprachen gestern von Ihrer Verantwortung vor Ihren Wählern und dem unbeirrten Festhalten an Ihren Versprechen.

Die Perspektive eines Don Quichote wäre aber nichts für Sie. Erlauben Sie jedoch, dass ich Ihnen widerspreche. Schon die seismografische Feststellung, dass Sie den mit Abstand meisten Beifall gestern beim Studiopublikum in der Sendung „Günther Jauch“ erhielten, sollte Sie eines anderen belehren. Dieser Beifall wirkte wie eine Art Befreiung und ich bin mir sicher, er stand auch  für die Einstellung Ihrer Wählerschaft. Hätten wir mehr „Bosbachs“ würde sich die Frage nach geringen Wahlbeteiligungen und ihrer Abhilfe ganz anders stellen. Ich halte übrigens von den gemachten Vorschlägen auch unseres Generalsekretärs wenig und hätte einen ganz anderen Vorschlag: Würde sich die Zahl der zu vergebenen Abgeordnetensitze entsprechend dem Anteil der Nichtwähler verringern, wären die Abgeordneten und Kandidaten zu einem ganz anderen Verhalten gegenüber der Wählerschaft gezwungen und ich versichere Ihnen, ein Typ Bosbach würde nicht aussortiert, sondern nur gewinnen.

Und Sie deuten nun einen Rückzug an. Was bedeutet das für die Politik? Der „Mainstream“ Gruppenzwang hätte gewonnen, ein Querdenker hätte endlich die Waffen gestreckt. Er ist ja nicht ein einsamer Ritter, der nur mit einer Lanze bewaffnet gegen Windmühlen kämpft. Natürlich spüren Sie Gegenwind, aber Sie haben ganz andere Waffenträger an Ihrer Seite: Ihre Wählerschaft in Ihrem Wahlkreis und pars pro toto mit Sicherheit darüber hinaus. Und diese Wählerschaft nagelt Sie bestimmt nicht an Ihrer parlamentarischen Erfolgsquote fest. Sie wird das ständige Bemühen darum nicht nur honorieren sondern sie braucht diese Stimme wie auch andere profilierte Köpfe im Parlament, das eine Volksvertretung sein soll und diesen Charakter aus verschiedenen Gründen immer mehr einbüßt.

Das Ergebnis wäre ein total glatt gebügeltes Profil, das ohnehin schon weit fortgeschritten ist. Parlamentstätigkeit soll Vielfalt und Diskussion widerspiegeln und unterscheidet sich grundlegend von einer Regierungsposition, wo ein Rücktritt angebracht ist, wenn man seine Vorstellungen nicht durchsetzen kann. Und ein aufrechter Parlamentarier lässt sich höchstens abwählen und es ist keine Ehrverletzung, wenn dieses durch den Parteiapparat geschieht. Es wäre nur ein weiterer Mosaikstein in der Abbildung von Politikerverdrossenheit.

Lieber Herr Bosbach, ich weiß wovon ich spreche, obwohl ich nur in einem Landtag gearbeitet habe. Wir waren als Parteireformer, die mehr Rechte für die Mitglieder und mehr Rechte für die Wähler einforderten, wahrlich keine Freunde der Parteispitze im Land. Übrigens war meine „Mao“-Bibel das  bei Hoffmann & Campe erschienene (heute vergriffene) Buch von Jürgen Rüttgers „Dinosaurier der Demokratie“. Es erschien im Jahr 1992, als „Politikverdrossenheit“ zum Schlagwort des Jahres wurde. Das Kapitel über Parteien ist auch nach über zwei Jahrzehnten noch lesenswert und höchst aktuell. Die dort genannten Thesen stießen hier auf die Haltung der berühmten drei Affen, aber ich war dem Landesverband Nordrhein–Westfalen damals überaus dankbar, wenn ich mich vor Ort vom Fortschritt der Parteireform und Kandidatenaufstellung erkundigen durfte.

Aber das ist ein eigenes Kapitel.

Heute nur: Bleiben Sie auf jeden Fall standhaft, enttäuschen Sie uns nicht, die wieder mehr Farbe in der Volksvertretung wünschen!

 
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