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Gefolgschaft im Herdentrieb

Zu den Berichten über Wolfgang Bosbach und seinen Rücktritt als Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages:

Interessant ist die geteilte Reaktion auf diesen Schritt Wolfgang Bosbachs. Wer genug Zivilcourage aufbringt, wird in dem Moment nicht unbedingt als Held gefeiert, zumindest ist das Echo nicht ungeteilt. Das fängt schon im Vorfeld mit der herabwürdigenden Bemerkung des Generalsekretärs unserer Partei über das "Geschäftsmodell" der "Abweichler" an, der sich damit zu der Funktionärsschiene eines Ronald Pofalla und eines Peter Hintze gesellt. Letzterer ein Vorgänger, der wie der ansonsten blasse Amtsinhaber wehmütige Erinnerungen an Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler aufkommen lässt.

Hintze erklärte bekanntlich als Vorsitzender der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen schon im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag, seine Abgeordneten würden der Kanzlerin folgen, ganz gleich, welchen Kurs sie einschlage. Diese Blanko- Scheck Ausstellung kennzeichnet eine Politikhaltung, die für die im Grundgesetz postulierte Freiheit des Mandats jede Menge Untertunnelungen gräbt und allenfalls zur Durchsetzung gesellschaftlicher Ziele des linksgrünen Rands den Fraktionszwang - euphemistisch Fraktionsdisziplin genannt- aufhebt.

Das Karrieremuster „Gefolgschaft im Herdentrieb“ nimmt überhand, und das wird besonders in großen Krisen deutlich. Die damit verbundene Blässe vieler Politiker trägt zur Politikverdrossenheit entscheidend bei. Der über Landeslisten gewählte Block ist dafür besonders kennzeichnend. Wer riskiert schon gern seinen von der Partei zugeteilten Listenplatz? Helmut Kohl hat die Wahlkreisabgeordneten stets als Seismographen für die Wählerstimmung betrachtet.

In diese Kategorie fällt Bosbach und er macht davon Gebrauch. Mag seine Entscheidung für einen Rückzug von einem Ausschussvorsitz, der nichts mit der Griechenland-Politik zu tun hat, für einen Fachpolitiker auch ein wenig unrund herüberkommen. Entscheidend ist, dass Bosbach über den Tellerrand eines Spezialisten blickt und sein Abgeordnetenmandat umfassend wahrnimmt. Insofern ist die wichtigste Botschaft, dass er weiter dem Bundestag angehört und ihm mit weiteren Abgeordneten überhaupt Profil gibt, das sonst zu einer Abstimmungsmaschine verkommt, wie das Unwort „Abweichler“ allzu deutlich suggeriert.

Erschienen als Leserbrief in der FAZ vom 31.7.2015

 
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