MüMis Bloghouse

Heißer Sommer, brenzliger Herbst

Nicht Weniges deutet darauf hin, dass es nach den Hitzewellen dieses Sommers auch im Herbst, diesmal aber politisch, heiß hergehen wird. Vor allem die beiden ins Haus stehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen lassen erwarten, dass viele offene politische Rechnungen auf dramatische Weise beglichen werden. Dies alles, weil in Deutschland - wie es nicht nur Oskar Lafontaine auf den Punkt bringt - "seit vielen Jahren eine Politik gemacht wird, die nicht den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung entspricht".

Unmut, zuweilen Zorn und Empörung bestimmen in weiten Teilen der Bevölkerung das Meinungsbild über die Folgen einer aus dem Ruder gelaufenen Migrationspolitik - trotz sommerlicher Sendepause bei den politischen Talkrunden im Fernsehen und nicht nur in den sozialen Netzwerken, sondern nicht minder heftig in der Boulevardpresse: "Politik, die diesen selbstmörderischen Wahnsinn seit Jahren nicht beendet, radikalisiert die Menschen im Land und gefährdet unsere wertvolle, wunderbare offene und freie Gesellschaft" schreibt Chefredakteur Julian Reichelt in BILD.

Auf die während der Merkel-Ära eingetretene Mitte-Links-Verschiebung des politischen Lagers ist offensichtlich ein Mitte-Rechts-Ausschlag im politischen Meinungsspektrum erfolgt, angeführt von eher der alten Sozialdemokratie nahestehenden Intellektuellen. "Wir haben uns durch lautstarken, übertriebenen Moralismus in der Migrations- und Flüchtlingspolitik in Europa unglaubwürdig gemacht. Wir haben uns in dieser Frage in Europa isoliert" konstatiert der Doyen der Zeitgeschichte Heinrich August Winkler, und es ist erschreckend, was an nüchterner Realität hinter dieser Aussage steckt: nach Westen die Abspaltung Großbritanniens, nach Norden unter Führung der Niederlande die Bildung der widerständigen Nord-Allianz mit Dänemark, Schweden und den drei baltischen Staaten; nach Osten die Vereinigung der Visegrád-Staaten mit Ungarn, Slowakei, Tschechien und Polen; schließlich nach Süden die "Achse der Willigen" von Rom über Wien nach München, die Europa nicht länger zu Handlangern des internationalen Menschenhandels degradiert sehen wollen.

Mit einem ähnlichen Tenor meldet sich der Philosoph Julian Nida-Rümelin zu Wort. Er hält den Satz der Bundeskanzlerin, dass staatliche Grenzen im 21. Jahrhundert ohnehin nicht geschützt werden können, für verantwortungslos, weil er für die Schlepperbanden eine Vorlage zur Umsetzung ihrer Geschäfte war und sich viele Menschen überhaupt erst aufgrund dieser Botschaft auf den Weg gemacht hätten. Wie die große Mehrheit der Deutschen hält auch Nida-Rümelin die Entscheidung, den in Budapest gestrandeten Flüchtlingen im September 2015 zu Hilfe zu kommen, für richtig, aber die Absicht, die nationalen Grenzen für unbegrenzte Zeit weiter offen zu halten, sei falsch gewesen. Daher hätte es "unserer Bundeskanzlerin gut angestanden, dies einmal öffentlich einzugestehen und damit ihre herausgehobene Verantwortung für die politische Kultur im Lande wahrzunehmen".

Um die politische Kultur ist es hierzulande aus einer ganzen Reihe von Gründen nicht gut bestellt. Hang zu übler Nachrede und hysterische Besserwisserei bestimmen immer öfter die Tonlage der Auseinandersetzungen, die mit den Ansprüchen eines politischen Diskurses nur schwer in Einklang zu bringen sind. Auf diese Weise ist eine vergiftete Atmosphäre entstanden, die, wie selbst der SPIEGEL einräumt, gerade von Teilen der Linken mit moralischer Selbsterhöhung und Denunziationslust geschürt wird. Immer wieder werden abweichende Äußerungen vom gerade gängigen Meinungstrend als fremdenfeindlich, nazistisch oder rassistisch verteufelt. Selbst einer eher dem linken Spektrum zuzurechnenden ZEIT-Redakteurin, die der berechtigten Frage nachging, ob die private Seenotrettung im Mittelmeer möglicherweise zu mehr Nachfrage und deshalb potenziell zu mehr Toten führt, weil die Schlepper ihr Geschäft als sicherer ausgeben können, als es in Wahrheit ist, bleibt der Vorwurf menschenfeindlichen Denkens nicht erspart.

Da nicht zu erkennen ist, wodurch sich diese aufgeheizte Stimmungslage verbessern sollte, erhoffen sich viele eine Entspannung durch reinigende Gewitter im Zuge der beiden Landtagswahlen im Oktober. Zumindest haben es die Wähler in Bayern und Hessen stellvertretend für das Wahlvolk im ganzen Land in der Hand, die Positionen der Parteien zu  vielen Ungereimtheiten, Widersprüchen und Absurditäten der Asylpolitik auf den Prüfstand zu stellen.

Ganz vorne an steht die Frage, wie sie die für das Rechtsempfinden vieler Bürger unzumutbare Praxis zu ändern gedenken, dass dem Migranten unser Rechtsstaat sofort nach Eintritt vollumfänglich zur Verfügung steht (einschließlich der aus dem Steueraufkommen bezahlten Asylanwälte), während sein Unterschlupf unter den schützenden Schirm unserer Rechtsordnung häufig genug nur durch einvernehmlichen Rechtsbruch zustande kommt.

Wie schon im klassischen Drama die böse Tat noch Schlimmeres gebiert, führt der vom Rechtsstaat durchweg gebilligte Asylmissbrauch zur Absurdität eines sich selbst nährenden Unrechtsstaus: nicht nur schwillt die Zahl der abgelehnten Asylbewerber in ungeahnte Höhen an, sondern ihre langwierigen und kostenträchtigen Verfahren erweisen sich in der Regel als umsonst durchgeführt, weil die nach Hunderttausenden zählenden erfolglosen Antragsteller wegen staatlicherseits unterlassener Kontrolle und Identitätsfeststellung bei der Einreise nicht abgeschoben werden können.

Um der vom französischen Innenminister Collomb vor der Nationalversammlung so bezeichneten drohenden "Überflutung" Europas durch Migranten vorwiegend aus Afrika wirksam zu begegnen, ist neben Rückkehr staatlichen Handelns nach Recht und Ordnung eine Abkehr von der vorübergehend einmal wohlfeilen "Willkommenskultur" dringend geboten. Insbesondere verdienen bei den anstehenden Wahlen die Positionen der Parteien zu den der öffentlichen Debatte entzogenen Verhandlungen der Bundesregierung über "global gesteuerte und sichere Migration" nach Deutschland und Europa besondere Aufmerksamkeit. Einem Wählerauftrag dürfte es nicht entsprechen, dass die aus CDU/CSU und SPD bestehende GroKo sowohl beim Marrakesch-Abkommen mit 28 afrikanischen Staaten als auch beim "Global Compact for Migration" der UN signalisiert hat, bei der Bewältigung künftiger Migrationsschübe eine beispielgebende Rolle zu spielen.

Eine konstruktive und verantwortungsbewusste Haltung Deutschlands bei der Lösung internationaler Probleme an den Tag zu legen, ist das eine, die eigentlichen Beweggründe mancher deutscher Politiker für ihre Migrationsoffenheit mit einem dicken Fragezeichen zu versehen, ist das andere:

  • das Wiedergutmachungssyndrom für reklamierte Verantwortung der Europäer für wirtschaftliche Not, Stammeskriege und Klimaschäden in Afrika

  • die angebliche Kollektivschuld des deutschen Volkes an den Nazi-Verbrechen, die stets aufs Neue durch Übernahme internationaler Lasten, zur Zeit gegenüber Afrika, abzutragen sei

  • die niedrige Geburtenrate und der Facharbeitermangel in Deutschland, die bevorzugt durch Aufnahme junger unausgebildeter Migranten auszugleichen seien.

    Anstelle einer Fortsetzung deutscher Migrationspolitik auf dieser fragwürdigen Grundlage, die zudem mit Fortdauer erheblicher Kollateralschäden bei unseren europäischen Nachbarn verbunden wäre, ist eine deutliche Kurskorrektur der amtierenden österreichischen EU-Ratspräsidentschaft gefragt. Eine konzertierte Aktion der vereinten europäischen Diplomatie zur Mobilisierung der eigentlich Verantwortung tragenden "Global Player" wie der UN, des UNHCR sowie des IWF ist das Gebot der Stunde.

    Hatte das UNHCR bereits versagt, die reichen arabischen Nachbarn bei Aufnahme der Flüchtlingsströme aus den Kriegs- und Krisengebieten des Irak, Afghanistans und Syriens einzubinden, sollten sich die Vereinten Nationen bei der Bewältigung des afrikanischen Exodus umso mehr ins Zeug legen. Es ist höchste Zeit, die Union Afrikanischer Staaten ins Spiel zu bringen, die einen der ressourcenreichsten Kontinente des Globus repräsentieren. Wissen unsere Migrationspolitiker eigentlich, dass Afrika mit 1,6 Billionen Dollar ein um ein Drittel höheres Sozialprodukt erwirtschaftet als das nach Fläche größte Land der Welt, Russland, mit 1,2 Billionen Dollar? Seit Jahren erhebt der Migrationsforscher Paul Collier die Forderung, dass die finanziellen Mittel für Flüchtlinge zu allererst an die Länder in der Umgebung der Krisenherde fließen müssten. Jedem Euro, der zur Versorgung eines Flüchtlings in seiner Heimatregion erforderlich ist, entsprechen 135 Euro für einen Flüchtling, der es nach Europa geschafft hat.

    Angesichts des anhaltenden Migrationsdrucks ist es wenig hilfreich, wenn regierungsamtliche Sprecher im Verbund mit öffentlich-rechtlichen Medien den Eindruck zu vermitteln versuchen, dass er deutlich nachgelassen habe und wenn das Migrationsgeschehen noch immer vor allem auf Kriegsflüchtlinge zurückgeführt wird. Daher sollte zu den Prüfsteinen beim Wahlcheck auch gehören, wie die Parteien zu den wahren systemischen Antreibern der anhaltenden Massenmigration stehen, nachdem die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten weitgehend zum Erliegen gekommen sind: das starke wirtschaftliche Wohlstandsgefälle von Europa nach Afrika, die Überbevölkerung Afrikas und das weiterhin anhaltende dynamische Bevölkerungswachstum sowie die Profitgier der Menschenhändler, die zwar von der Politik als Organisatoren der Migrationswellen identifiziert sind, die wirkungsvoll zu bekämpfen die europäischen Regierungen bisher aber erfolglos blieben.

    Neben dem islamistischen Terror stellen die internationalen Menschenhändlerringe, die mit anti-europäisch agierenden NGOs gemeinsame Sache machen, die größte akute Gefährdung Europas dar. Indem sie die engagierte Hilfsbereitschaft junger Europäer missbrauchen, verschaffen sie sich mittels von NGOs finanzierter Seenotrettung die logistisch notwendigen Brückenköpfe zu den europäischen Zielhäfen. Dabei fließen die Einkünfte der Schleuser nicht nur aus den Transfereinnahmen sondern zusätzlich aus den Massenumsätzen bei Transportmitteln und Ausrüstungen (Außenbordmotoren, Schwimmwesten, Mobiltelefone etc.). Die wahren Kosten dieses Menschheitsverbrechens durchdringen aber nur selten das Mediendickicht, wie am 25. Juni 2018, als die norwegische Zeitung "Bergens Tidende" berichtete: "Der Menschenschmuggel über das Mittelmeer hat in den vergangenen fünf Jahren mehr als 15.000 Menschen das Leben gekostet".

    Die mit historischer Schuld immer wieder begründete Bereitschaft zur Übernahme besonderer Lasten in internationalen Krisenfällen findet neuerdings auch Ausdruck in einer von deutschen Spitzenpolitikern übernommenen Forderung, die interessengeleitet aus Kreisen der Vereinten Nationen erhoben wird: Deutschland müsse als führende Wirtschaftsmacht Europas zu einem Einwanderungsland werden, quasi als zentrales Auffangbecken für die aus Nahost und Afrika weiterhin zu erwartenden großen Migrationswellen.

    Dabei ist richtig, dass der in der Mitte Europas gelegene deutsche Sprach- und Kulturraum in seiner über tausendjährigen Siedlungsgeschichte naturgemäß stets offen für Zuwanderung aus seiner östlichen wie westlichen und aus seiner südlichen wie nördlichen Nachbarschaft gewesen ist. Daraus ist eine der Hochkulturen des Westens erwachsen, die der Welt dauerhafte Errungenschaften und geistige Anstöße in Philosophie, Musik, Literatur und Schulwesen, vor allem auch in Naturwissenschaften (insbesondere Chemie und Astrophysik), Ingenieur- und Verkehrswesen, Baukunst und nicht zuletzt der Industrie, der Finanzwirtschaft und Landwirtschaft sowie des Handwerks geschenkt hat. In dieser langen Geschichte wurde in der Bevölkerungsentwicklung ein gewisser Sättigungsgrad erreicht: mit 232 Einwohnern je Quadratkilometer ist Deutschland, das nach dem Krieg ein Viertel seines Territoriums abtreten und 12 Millionen Landsleute aus den ostdeutschen Vertreibungsgebieten aufnehmen musste, heute das am dichtesten besiedelte Land Kontinentaleuropas. Dagegen kommen die USA und Kanada als klassische Einwanderungsländer, die nur Bruchteile der Migrationsquoten des vergleichsweise beengten Deutschland aufnehmen, auf nur 35 Einwohner (USA) bzw. 4 Einwohner je Quadratkilometer im Falle Kanadas.

    Die in Jahrhunderten kluger Entwicklung gewachsene wirtschaftliche und kulturelle Kraft Deutschlands, von der nicht wenige in der Welt ihren Nutzen ziehen, einer unmäßigen Zuwanderung bildungsferner und aus fremden Kulturen stammender Menschen zum Opfer fallen zu lassen, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

 
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