Missglückter Start der Christiansen-Nachfolge-Talkrunde
Die hohen Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Hatte man gehofft, dass sich das Sendeformat der ARD-Premium-Politschau am Sonntagabend von der Krampf-, Murks- & Co-Linie der Christiansen-Talkrunde lösen würde, sah man sich enttäuscht. War Ahnungslosigkeit bei den inhaltlichen Beiträgen der prominenten Gäste, so war Peinlichkeit in der Inszenierung Trumpf.
Die Bautzener Akademikerin, die jeden Tag für 5 Euro Stundenlohn nach Görlitz zur Arbeit fährt, war als Opfer der herrschenden Verhältnisse zwar treffend gewählt, sie aber als einzig kompetente Zeugin der verkorksten Reformpolitik aus der Runde zu verbannen und an den Rand des Geschehens zu platzieren, war bei aller Symbolik an Taktlosigkeit kaum zu überbieten.
Die Proporz-Repräsentanten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Kurt Beck und Jürgen Rüttgers, die als Ministerpräsidenten und Träger der Regierungskoalition für die Zustände in Deutschland mit verantwortlich sind, spielten demgegenüber ihre Rollen so stilsicher, als übten sie bereits ihre Pensionärstournee à la Blüm/Sodann. Das einzig Konstruktive, das ihnen zu ihren Klageliedern über die Ergebnisse ihrer eigenen Politik einfiel, war ihre unisono verkündete Absicht „Da müssen wir jetzt ran“.
Ein Vertreter der Opposition, der schon aus dramaturgischen Gründe die hier fällige Frage hätte stellen müssen, was sie denn bisher davon abgehalten habe, „da ranzugehen“, fehlte leider ebenso wie ein sachverständiger Arbeitsmarktexperte, der den Stilblütensalat wenigstens an der einen oder anderen Stelle hätte zerpflücken können.
Zum Beispiel hätte er das hilflose Herumgeeiere um das Thema Mindestlohn auf den Punkt bringen können, dass die Vorstellung, mit verordneten Mindestlöhnen das Lohnniveau am Arbeitsmarkt anzuheben, der Illusion entspricht, dass es der Thermostat sei, der die Wärme ins Zimmer bringt. Dass man statt dessen die Heizung mit entsprechender Energie anschmeißen bzw. die Wirtschaft mit sachgerechter Politik ankurbeln muss, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen – auf diesen Einfall wartete man, wie schon bei Sabine Christiansen so auch bei Anne Will, vergebens.
MüMis Bloghouse
Anne will, aber kann sie auch?
Literaturhinweise
Weitere Bücher des Autors
Zukunft des Kapitalismus
edition suhrkamp 2010
Hrsg. von Frank Schirrmacher und Thomas Strobl
Beitrag:
Wolfgang Müller-Michaelis
Wie man den Korken aus der Flasche bekommt
Neue Wege zu mehr Beschäftigung
Mehr Netto vom Brutto
Wolfgang Müller-Michaelis
Resch-Verlag, Gräfelfing
Kein Mangel an Arbeit
EINE CHANCE FÜR DEN STANDORT "D"
Wolfgang Müller-Michaelis
Olzog Verlag München, 1999
Die Informationsgesellschaft im Aufbruch
Perspektiven für Wachstum, Beschäftigung und Kommunikation
Wolfgang Müller-Michaelis
FAZ-Verlag
Frankfurt am Main, 1996