MüMis Bloghouse

Warum die Ampel wirklich ausging - Politikwende zur Ertüchtigung der Leistungskräfte der Wirtschaft

Nachdem ich im Zuge der Wiedervereinigung Anfang der 90er Jahre zum Energiebeauftragten der Sächsischen Staatsregierung berufen und mit einem motivierenden Kommentar von Knut Teske in der WELT aus Hamburg verabschiedet wurde, habe ich mich auf der Pressekonferenz nach meiner Ankunft in Dresden zusammen mit fünfzig Exemplaren „Wohlstand für alle“, der Programmschrift Ludwig Erhards zur Einführung in die Soziale Marktwirtschaft, vorgestellt. Heute, eine gute Generation später, würde ich mir wünschen, dass ein in die Bundespressekonferenz eingeladener Volkswirt Regierung und Öffentlichkeit erklärt, wie der mit planwirtschaftlichen Methoden seligen Angedenkens in den Abgrund abdriftenden Wirtschaft mit Hilfe des Erhard’schen Politikmodells wieder auf die Beine zu helfen wäre.

Statt dessen meldete sich, sinnigerweise zum Karnevalsbeginn am 11.11.2024, der SPD-Ökonom Marcel Fratzscher zu Wort. Mit Erstaunen erfährt man von ihm, dass Deutschland nur ein kleines Land und auch von keiner tiefen Wirtschaftskrise betroffen sei. Das Problem seien die Unternehmer, die nicht investierten, weil sie zu pessimistisch in die Zukunft blickten. Schuld daran sei die Schuldenbremse des Finanzministers. Beide müssten weg, denn nur mit höheren Schulden käme man wieder auf den Wachstumspfad zurück.

Dieser jovialen Lageanalyse, die im rotgrünen Parteien- und Medienspektrum weitgehend geteilt wird, stehen in der Wirtschaft und der liberalen Presse mehr oder weniger vernichtende Urteile über die Politik der nach der Entlassung der FDP-Minister noch amtierenden Restampel gegenüber. Wobei die Kritik im Kern darin begründet ist, dass Deutschland ins dritte Jahr in Folge mit stagnierender Wirtschaft hineingeht und unter den Industrieländern erstmalig in der Nachkriegsgeschichte das Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum bildet.

Hier ein Ausschnitt von Stimmen aus Wirtschaft und Medien zu dieser Lage:

Der Journalist Harald Martenstein hat es am klarsten auf den Punkt gebracht: Die Lage in diesem Land war seit 1949 nie so dramatisch. Politische Fehlentscheidungen zerstören seine industrielle Basis. Seine Infrastruktur, um die wir mal beneidet wurden, wird allmählich zur Lachnummer. Seine Schulen und sein Bildungsniveau befinden sich im freien Fall, was auch mit der Überforderung durch Massenmigration zu tun hat.

Matthias Iken, Hamburger Abendblatt: Die Bundesrepublik steckt in der dramatischsten Wirtschaftskrise ihrer Geschichte.

Ifo-Institut: Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit im freien Fall.

Neue Zürcher Zeitung: Eine Wirtschaftsnation arbeitet an ihrem Abstieg.

Financial Times: Deutschland hat die dümmste Energiepolitik der Welt.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger: Der Arbeitsmarkt funkt SOS. Drei Millionen Arbeitslose drohen diesen Winter Realität zu werden.

DIHK-Präsident Peter Adrian: Unser Land ist auf dem Holzweg.

ThyssenKrupp-Chef Dennis Grimm zeigt an: Es ist fünf vor zwölf.

 

Da der Bundeskanzler offenbar Probleme mit der Wahrnehmung der verkorksten Lage hat, in die er das Land geführt hat, und der in der Regierung zuständige Wirtschaftsminister sich dieser krisenhaften Zuspitzung in seinem Ressort offenbar hilf- und tatenlos ausgeliefert sieht, nimmt es nicht Wunder, dass der der Wirtschaft am nächsten stehende Koalitionspartner das Zepter in die Hand nahm, um für eine Kehrtwende der von der Regierung bisher verfolgten politischen Linie einzutreten. Die FDP-Minister taten dies nicht heimlich und mit verräterischer Attitüde, wie vom Bundeskanzler wider besseres Wissen unterstellt, sondern in aller Öffentlichkeit und mit der Absicht, die Ampel wieder zum allseits respektierten Herrn des Geschehens zu machen.

Dass die rotgrünen Koalitionäre das 18seitige Wirtschaftswende-Memorandum der FDP statt als Beitrag zur Lösung der Misere als Zumutung empfanden, ist der eigentliche Grund, weshalb die Ampel erloschen ist. Und auch die Diskursverweigerung der rot-grünen Claqueure in den meinungsbildenden öffentlich-rechtlichen Medien spricht nicht für ihre Bereitschaft, zur Lösung beizutragen. Sondern eher für jene die sich mutig und verantwortungsbereit der unpopulären Aufgabe stellen, die Wirtschaft vor allem bei den Themen Klima, Rente, Steuern und Arbeit von Fesseln, Blockaden und Überforderungen zu befreien und den Unternehmen wieder die notwendige Luft zum Atmen bei der Rückkehr auf den Wachstumspfad zu verschaffen.

Um diesen Kraftakt geht es bei der Suche nach dem Weg aus der Krise und nicht um den albernen Streit um Entwürfe für Kampagnen-Strategien, die der US-amerikanischen Wahlkampfliteratur entlehnt sind und die professionell arbeitende Orga-Teams jeder Partei in den Schubladen haben.

Es gibt in der wirtschaftspolitischen Fachwelt keine ernstzunehmende Stimme, die nicht im Grundsatz mit den von Rotgrün so vehement abgelehnten FDP-Forderungen übereinstimmten. Dennoch könnten die Gegensätze im politischen Meinungsstreit über die Lage nicht größer sein. Fragt man nach den Motiven für dieses gegensätzliche Politikverhalten der beiden Lager im Ampelstreit, kommt man an den sozial-philosophischen Ideengebäuden von Sozialismus und Liberalismus nicht vorbei.

Nach dem Sozialismus ist das Leid der Menschheit zu groß, als dass man mit dem Lindern der Not warten könnte, bis genügend Güter zum Verteilen erwirtschaftet sind, so dass man dazu neigt, die Lücke an verfügbaren Mitteln durch Lösen der Schuldenbremse, durch „Leben auf Pump“ zu schließen. Wohin das am Ende führt, kann man derzeit bei unseren französischen Nachbarn besichtigen, wo die Staatsschuld eine Höhe erreicht, die das Land in die Unregierbarkeit geführt hat: die 60 Milliarden Euro an jährlichem Schuldendienst übersteigen den Verteidigungsetat der Atommacht Frankreich. Indessen wäre es überzogen, die Schuldenbremse als Heiligtum zu betrachten, sie sollte zwar für den Sozialkonsum unbedingt Geltung behalten, hingegen in Notlagen für in die Zukunft wirkende investive Zwecke gelöst werden können.

Will man den in Ausweglosigkeit und Unregierbarkeit des Staates führenden Gang vermeiden, der im Verteilen vor dem Erwirtschaften und im Ausgeben ohne Rücksicht auf die Verfügbarkeit der dazu benötigten Mittel besteht, gibt es für eine Wirtschaftswende der Art, wie sie die FDP in ihrem „18-Seiten-Papier“ beschrieben hat, keine Alternative: weg von einer die Wachstumskräfte lähmenden Überbürokratisierung und von einer Klimapolitik, die noch über die gemeinsamen EU-Ziele hinausgeht: weg von der Förderung von Nichtarbeit durch Bürgergeld und weg von unbegrenzter Einwanderung in die Sozialsysteme. Stattdessen hin zu einer Öffnung der Arbeitsmärkte für die Zuwanderung von Fachkräften, die sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und Steuern und Sozialbeiträge zahlen; hin zu investitionsanreizender Unternehmensbesteuerung und hin zu einer generationengerechten Rentenreform.

Bei all diesen Vorschlägen zur Wirtschaftswende geht es um nichts mehr und nichts weniger als einem weiteren Abstieg Deutschlands durch vernunftgeleitete Politik mit machbaren Ansätzen zu begegnen.

 

Dieser Beitrag ist auch erschienen in "Preußische Allgemeine" Nr. 50 vom 13. Dezember 2024, Forum, Seite 8

 
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