Statt Ausgliedern zusammenfügen -
Drei-Säulen-Modell unter einem gemeinsamen Stiftungsdach

Wolfgang Müller-Michaelis
Dezember 2013

Statt Ausgliedern steht das geordnete Zusammenführen aller Sparten zu einem starken und robusten Leistungsverbund als Leitidee über diesem Antrag. Nur auf diesem Wege können wir den HSV wieder dahin bringen, wo er aufgrund seiner großen Geschichte und als wichtiger Standortfaktor Hamburgs hingehört: in die vorderen Ränge des deutschen und europäischen Spitzensports.

Dazu bedarf es einer rechtlichen Konstruktion, die sicherstellt:

  • soviel Einheit und Geschlossenheit im Innern und nach außen wie möglich, damit sich jede Vereinssparte als wichtiger Teil dem Ganzen zugehörig fühlen kann
  • soviel Eigenständigkeit der Sparten wie nötig, um ihren Beitrag zum Wohl des HSV nach besten Kräften leisten zu können
  • Erhaltung des Gemeinnützigkeitsprivilegs für den Amateursport, auch wenn der HSV mit dem Betrieb der Profiliga als wirtschaftliches Unternehmen agiert.

Diese Ziele sind am besten unter dem Dach einer HSV-Stiftung zu erreichen, die von den drei eigenständigen Vereinssäulen Amateursport, Profifußball und Supporter/Förderer getragen wird; ergänzt um einen vierten Bereich, in dem die Verwaltung des Vereinsvermögens organisiert ist. Jede der drei Vereinssäulen, die in je eigener Rechtsform selbständig geführt werden, ist über einen Repräsentanten im übergeordneten Stiftungsrat, dem Leitungsgremium der HSV-Stiftung, vertreten. Auf diese Weise wird die Einheit und Geschlossenheit des HSV als stiftungsrechtliche Körperschaft sichergestellt.  

Sämtliche Vermögensteile des HSV, insbesondere das Stadion und Immobilien, werden als Stiftungsvermögen in die HSV-Stiftung eingebracht. In das Stiftungsvermögen gehen Zustiftungen der Vereinsmitglieder nach eigenem Ermessen (ab 100 Euro pro Mitglied) ein. Unabhängig von der Höhe seiner Zustiftung erhält jedes Vereinsmitglied in der Stifterversammlung eine Stimme.

In den Stiftungsrat wird zusätzlich zu den drei Vertretern der Vereinssparten eine gleiche Anzahl von Vertretern des öffentlichen Lebens bzw. der Wirtschaft berufen. Die sechs Mitglieder des Stiftungsrats (drei interne Vertreter der HSV-Sparten und drei externe Repräsentanten des öffentlichen Lebens bzw. der Wirtschaft) schlagen der einmal jährlich einzuberufenden Stifterversammlung, die an die Stelle der heutigen Mitgliederversammlung tritt, ein siebtes Mitglied als Vorsitzenden des Stiftungsrats für eine fünfjährige Amtszeit zur Wahl vor. Der gewählte Vorsitzende des Stiftungsrats fungiert zugleich als HSV-Präsident. Der Stiftungsrat als oberstes Gremium der Gesamtkörperschaft des HSV hat mit Ausnahme der Verwaltung des Vereinsvermögens keinen direkten Einfluss auf die Entscheidungsprozeduren der drei rechtlich selbständig agierenden HSV-Sparten.

Begründung:  

Eine Satzungsreform, die angesichts der erwiesenen Unregierbarkeit des HSV heutigen Zuschnitts den Anspruch erhebt, zukunftssichere Strukturen zu schaffen, darf sich nicht mit der Neuregelung der Profifußballsparte begnügen. Sie muss stattdessen sowohl die Neuordnung des Gesamtvereins als auch die Bedeutung des HSV als Standortfaktor Hamburgs im Blick haben. Dazu gehören die angemessene Positionierung des traditionellen Kernbereichs des Amateursports im neuen Satzungsgefüge ebenso wie die Rolle, die Supporter und Förderer im neu gegliederten HSV spielen sollen.

Es macht wenig Sinn, die Supporter, die sich als Verkörperung der HSV-Seele quasi als „12. Mann“ der Bundesligamannschaft verstehen, dem Mitgliederbereich der aktiven Amateursportler zuzuschlagen, mit denen sie außer der formalen Vereinszugehörigkeit nichts gemeinsam haben. Auch hätte ihre mit einer Ausgliederung einhergehende Herauslösung aus ihrem engen emotionalen Verbund mit der Fußballbundesliga unter den geltenden Satzungsbestimmungen nur geringe Aussichten, die satzungsändernde Dreiviertelmehrheit in der Mitgliederversammlung zu erlangen.

Das Ziel muss daher sein, allen Kräften, die den HSV in seiner heutigen Struktur tragen, den Amateuren, dem Profifußball und den Supportern und Förderern in der künftigen Vereinsarchitektur den Stellenwert einzuräumen, den sie als Teil des Ganzen bisher tatsächlich haben und auch weiterhin beanspruchen dürfen.

Ein Satzungsänderungsantrag zur überfälligen Strukturreform des Vereins, der alles dies leisten soll, macht nur Sinn, wenn er Aussicht hat, von der satzungsgemäßen Mehrheit der Mitgliedschaft unterstützt zu werden. Dabei ist auch der regionalpolitische Aspekt einer erfolgreichen HSV-Strukturreform zu berücksichtigen.

Der HSV ist im Laufe seiner 125-jährigen Geschichte und im 50. Jubiläumsjahr seiner Zugehörigkeit zur Bundesliga zu einem Standortfaktor Hamburgs geworden, der weit über den sportlichen Bereich in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik ausstrahlt. Das Vereinslogo der Raute ist neben Hafen, Michel, den ruhmreichen Reederei-Flaggen sowie den großen Unternehmen, Kultureinrichtungen, Stiftern und Mäzenen längst zu einem prägenden Bestandteil der Weltmarke Hamburg geworden. Es ist kaum auszudenken, welche Folgen es für die Strategie der „Wachsenden Stadt“ und für ihre Weltgeltung hätte, wenn der HSV-Nimbus nicht mehr zu den identitätsstiftenden Kräften Hamburgs gehören würde.

Angesichts der anhaltenden Krisensituation, in die die einst stolze „Nummer 1 des Nordes“ geraten ist, mag es angezeigt sein, daran zu erinnern, dass die großen Kapitel der HSV-Geschichte stets von Führungspersönlichkeiten bestimmt wurden, die über den sportlichen Bereich hinaus für Weltoffenheit, Weitsicht und unternehmerisches Engagement gestanden haben.  

Das waren in den dreißiger und vierziger Jahren Paul Hauenschild und in der Nachkriegszeit Günter Mahlmann, deren Wirken bis heute präsent ist. Besonders in der Jugendarbeit wurden unter ihrer Ägide Zeichen gesetzt, die dem Verein glorreichen Nachwuchs, nicht zuletzt einen Weltstar wie Uwe Seeler, bescherten. In den 70er Jahren suchte Peter Krohn den Verein mit neuen Marketingideen aus provinzieller Enge zu lösen. In seiner Nachfolge fasste Paul Benthien den Entschluss, den Ölmulti BP (heute Aral) für den in finanzielle Nöte geratenen Verein zu gewinnen, wodurch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die erfolgreichen 80er Jahre unter Führung von Wolfgang Klein und Günther Netzer mit Verpflichtung von Franz Beckenbauer, Europapokal der Landesmeister, zwei deutschen Meisterschaften und DFB-Pokal geschaffen wurden. Mit dem Abgang des Bankiers Udo Bandow, der die 90er Jahre prägte und den Verein mit dem Bau eines eigenen Stadions in das neue Jahrhundert führte, ist diese Erfolgsgeschichte abrupt abgebrochen.

Den von Ernst-Otto Rieckhoff und Jürgen Hunke vorgelegten HSV-Konzepten ist gemeinsam, dass sie an die traditionell unternehmerisch ausgerichtete Vereinsführung wieder anknüpfen wollen. So sehr diese Absicht zu begrüßen ist, berücksichtigen die Pläne nicht den eigentlichen Grund der „strukturellen Misere“, in der sich der Verein seit Ende der 90er Jahre befindet. Mangels eines Lösungsansatzes in diesem kritischen Punkt tragen diese Reformpläne das Risiko des Scheiterns in sich.

Durch einen in der deutschen Sportgeschichte einmaligen Vorgang war der HSV mit der Satzungsänderung von 1998 von einem der traditionsreichsten deutschen Sportvereine de facto in eine Fan- und Fördergemeinschaft umgewandelt worden. In ihr wurde den Supportern und Förderern kraft ihrer Mitgliederstärke eine über 90-prozentige Stimmenmajorität im wichtigsten Entscheidungsgremium, der HSV-Mitgliederversammlung, zuerkannt. Die über 30 Amateursportarten sowie selbst die Profifußballabteilung, die den Verein über Jahrzehnte als Gemeinschaft aktiver Sportler zu seiner großen Geltung verholfen und die die Raute mit ihren Leistungen zu einer der führenden Marken im europäischen Sport gemacht hatten, waren von Stund an in ihrem Einfluss auf die Geschicke des Vereins in eine marginalen Minderheitenposition geraten. 

Wie ist es zu diesem Einschnitt, der wegen seiner voraussehbaren Folgen für die zukünftige Vereinsentwicklung bereits damals umstritten war, überhaupt gekommen? Es sind wohl zeitgeistige, von Partizipation und Basisdemokratie geprägte Strömungen gewesen, die die Satzungskommission in ihrer Mehrheit (darunter der damalige amtierende und zwei ehemalige Vereinspräsidenten) dazu verleiteten, dem Drängen der Supporter und Förderer auf gleichberechtigte Mitwirkungsrechte in Vereinsangelegenheiten nachzugeben. Unter diesen neuen Satzungsbedingungen tat sich der langjährige AR-Vorsitzende Udo Bandow schwer, Repräsentanten der Hamburger Wirtschaft für den Verein zu gewinnen. Einige später eingesprungene Unternehmer mussten schnell erkennen, dass unter diesen Umständen professionelle Führungsarbeit im HSV nicht zu leisten war und warfen das Handtuch.

Lässt man die jahrelangen Auseinandersetzungen um die Lösung der Strukturprobleme des Vereins Revue passieren, standen als Themen stets im Mittelpunkt

  • Stärkung des HSV als Universalsportverein
  • Vertrauensbildung für Investoren, um in die angestrebten Ränge des europäischen Spitzenfußballs aufzusteigen
  • faire Einbindung der emotionalen Kraft der Supporter in die Vereinsstruktur
  • Profilierung des HSV als Standortfaktor für die Sportmetropole Hamburg.

Alle diese Ziele, die für die Zukunftssicherung des Vereins und seiner Stellung im deutschen und europäischen Sport unabdingbar sind, können mit der zugleich die Einheit des Vereins wahrenden und die operative Selbständigkeit der drei tragenden Vereinssäulen sichernden Rechtsform einer HSV-Stiftung erreicht werden.

 

 
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