Der Markt im "Dritten Sektor"

Michel-Stiftungsvorstand Dr. Wolfgang Müller-Michaelis über Kommunikations- und Fundraising-Konzepte.

Wie man professionell Spender und Sponsoren generiert, das vermitteln Sie auch als Lehrbeauftragter an der Universität Lüneburg. Ist der Bedarf in diesem Sektor so groß?
Die Größe des Bedarfs bemisst sich nach der Vielzahl von gemeinnützigen Einrichtungen, die ihre Aufgaben mit Hilfe der ihnen zufließenden Transferleistungen oder aus eigenen Vermögenserträgen allein nicht zu bewältigen vermögen. Angesichts zunehmender Enge der Kassen in Staat und Kommune wären weite Teile des "Dritten Sektors" ohne ergänzenden Einsatz von Fundraising heute nur noch bedingt funktionsfähig. Das gilt für das Kulturleben und für die humanitären Dienste genauso wie für den Hochschulbetrieb und für die Kirche.

Entsteht da ein neues Betätigungsfeld für Agenturen?
Durchaus. Wir sprechen hier im weiteren Sinne über den Non-Profit-Sektor, hinter dessen unscheinbarem Namen sich ein zunehmend interessanterer Wertschöpfungsbereich unserer Volkswirtschaft verbirgt. Schließlich finden sich die eingeworbenen Fundraising-Mittel in den Auftragsbüchern von Handwerksbetrieben und Dienstleistern wieder, zu denen auch kreative Agenturen gehören.

Sie waren Kommunikationschef der Deutschen BP und bringen Ihre Erfahrungen sicher im Stiftungsvorstand des Hamburger Michel ein. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es in der Gewinn bringenden Außendarstellung eines Unternehmens und einer Kirche?
Gemeinsam ist beiden Aufgabenstellungen, ein eigenständiges Profil zu entwickeln, um sich erkennbar von der Konkurrenz abzuheben. Das gilt nicht nur für die Märkte der Wirtschaft, das gilt genauso für den Markt der Gemeinnützigkeiten. Der Unterschied für die Agentur besteht darin, dass sie für den Erfolg im "Dritten Sektor" neben der Kommunikationsstrategie ein passendes Fundraising-Konzept mitliefern muss, das im Falle der Unternehmens-PR vom Auftraggeber selbst gespeist wird.

Ihr Kommunikations- und Fundraising-Konzept war schon bei der Stiftung der Frauenkirche Dresden erfolgreich. Was war auf den Michel übertragbar, was nicht?
Von den Größenordnungen her sind beide Projekte schwer vergleichbar. Beide Beispiele zeigen aber, dass Fundraising von der finanziellen Zielgröße her kaum Grenzen gesetzt sind, wenn die richtige Methode zum Einsatz kommt. Was die konkreten Maßnahmen angeht, hat sich für die Wahrzeichen der beiden Patenstädte Hamburg und Dresden sogar eine gegenseitig befruchtende Win-Win-Situation ergeben. So gab es die Michel-Uhr bereits vor den berühmten Jahreseditionen der Dresdner Frauenkirchenuhr. Andererseits wurde die in Dresden geborene Stifterbrief-Idee jetzt auch für das Fundraising zugunsten des Hamburger Michel übernommen.

Das Interview führte Thorsten Garber für die Zeitschrift "absatzwirtschaft" Sonderheft Marken 2004

 
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