Der verflixte Reichtum

Wolfgang Müller-Michaelis

Der Pegelstand öffentlicher Erregung über eine angeblich unerträgliche Spaltung des Landes in Arm und Reich erreicht im Wahljahr 2013 neue Höhen. Während sich in der innenpolitischen Auseinandersetzung einige Parteien überbieten, unter kräftig geschwenktem Gerechtigkeitsbanner selbst mittlere Einkommensbezieher vor den Neidpranger zu zerren, findet dieses Spektakel auf internationaler Bühne bizarren Widerhall. Lasten die Südeuropäer die ins unermessliche gestiegene Überschuldung ihrer Staaten den reichen Deutschen an, zeigt sich die kubanische Regierung vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf besorgt darüber, dass wachsende Teile der deutschen Gesellschaft in Armut versinken.

Nicht nur im gemeinsamen Credo, materielle Egalität als Idealzustand gesellschaftlicher Verhältnisse einzufordern, sind alle diese Bekundungen vereint. Auch im Verdrängen der Erfahrung, wie kontraproduktiv diesem Ziel gewidmete sozialrevolutionäre Ansätze immer wieder verlaufen sind. Als nach dem Fall der Berliner Mauer die Vermögensverteilung im Arbeiter- und Bauernstaat der DDR offengelegt wurde, ergab sich, dass ähnlich wie im Westen Deutschlands die oberen zwanzig Prozent der Bevölkerung im Besitz von achtzig Prozent des Gesamtvermögens waren.

Demokratische Gesellschaften legitimieren sich durch ihre Fähigkeit, für die größtmögliche Zahl ihrer Bürger Einkommensverhältnisse zu schaffen, deren Ausgewogenheit im Ganzen jenes Ausmaß an Differenzierungen zulässt, das allgemein als akzeptabel gilt. Während in der Europäischen Union das Durchschnittseinkommen der „oberen zwanzig Prozent“ fünfmal so hoch liegt wie das Durchschnittseinkommen der „unteren zwanzig Prozent“, rangiert Deutschland mit dem viereinhalbfachen Wert leicht darunter. Von daher ist es fraglich, ob das Auseinanderklaffen von Arm und Reich hierzulande tatsächlich ein unakzeptables Ausmaß erreicht hat.

Unerträglich erscheint dagegen das Unvermögen der Politik, der Steuerflucht großer Vermögen rund um den Globus beizukommen. Daher sollten die Regierungen ihre Kräfte stärker auf das Schließen der Schlupflöcher für großkalibrige Steuerhinterzieher konzentrieren als die gesetzestreuen Bürger durch Anziehen der Steuerschraube weiter zu schröpfen. So sehr der Fall Hoeneß dazu beitragen mag, die Dringlichkeit staatlichen Regelungsbedarfs offenkundig zu machen, sprechen die Anzeichen nicht dafür, dass sich die Politik der unbequemen Variante des Kampfes gegen massiven Steuerbetrug mit der gebotenen Vehemenz zuwendet, um vorrangig auf diesem Wege die zusätzlich benötigten Mittel zur Finanzierung der Staatsausgaben einzutreiben.

Wie die Auseinandersetzung um den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vom März 2013 gezeigt hat, ist statt dessen bei nicht wenigen Politikern die Obsession verbreitet, dass bei zu vielen Bürgern der Reichtum ins Kraut geschossen und sowohl aus Gründen des Mittelbedarfs als auch der Gerechtigkeit durch Steuererhöhungen abzuschöpfen sei. Diese Auffassung, zu der auch die Vorstellung gehört, dass eine stärkere Umverteilung zugunsten erwerbsloser Bezieher von Transfereinkommen geboten sei, soll unter einigen Aspekten kritisch beleuchtet werden, die in der bisherigen Debatte zu kurz gekommen sind.

So unbestritten es ist, dass drei Millionen Arbeitslose vor allem im Blick auf jedes in diese Zahl eingebundene Einzelschicksal drei Millionen zu viel und ergänzt um Bedürftige, Aufstocker und aus dem Ausland herbeiströmende Armutsflüchtlinge sechs Millionen Hartz IV-Empfänger sechs  Millionen zu viel sind, so eindrucksvoll schlägt sich in der Finanzierung des Lebensunterhalts dieser Gruppen die Leistungskraft unseres Sozialstaats nieder. Auf 360 Milliarden Euro beliefen sich allein die häufig geschmähten Hartz IV-Leistungen aus Regelsätzen, Miet- und Heizkostenzuschüssen, Eingliederungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für den Zeitraum 2005 folgende bis 2012. Das sind im Jahr gewaltige 45 Milliarden Euro, die sich zusammen mit den Zuschüssen zur Rentenversicherung und den übrigen Posten des Sozialbudgets zur guten Hälfte des Bundeshaushalts addieren. Eine Solidarleistung, die ihresgleichen sucht, zumal sie in ihrem inzwischen erreichten Umfang bei kritischer Betrachtung nicht ohne Tücken ist.

Denn ergänzt um die Lasten zur Bedienung der Staatsschuld, die ihre Verursachung nicht zuletzt in der Dynamik des Sozialbudgets hat, sowie um die Ausgaben der Staatsverwaltung, sind mit diesen konsumtiven Ausgabenblöcken, worauf Bundeskanzlerin Merkel gelegentlich aufmerksam macht, 75 Prozent des Bundeshaushalts abgedeckt. Für die investiven Staatsausgaben, die für die dauerhafte Wohlfahrt der Bürger von ungleich größerer Bedeutung sind, wie Bildung, Forschung, Energie- und Verkehrsinfrastrukturen sowie für innere und äußere Sicherheit steht nur noch das restliche Viertel des Haushalts zur Verfügung.

Will man der Regierung Versäumnisse bei der Verbesserung der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse der Bürger vorwerfen, muss diese Kritik daher in erster Linie am zunehmenden strukturellen Ungleichgewicht zwischen konsumtiver und investiver Verwendung der Staatsausgaben ansetzen. Die stattdessen im Vordergrund des öffentlichen Disputs stehenden Anwürfe ungerechter Verteilung von Einkommen und Vermögen lenken, auch wenn sie in Wahlzeiten opportun sein mögen, von Ursachen der Misere ab, die außer im Verantwortungsbereich der Politik zu liegen auch der Eigenverantwortung der Bürger zuzuschreiben sind.

Wenn Einkommenssicherung Beschäftigung erfordert und diese nur über gute Ausbildung zu haben ist, hat der Staat die Aufgabe, ein ausreichend gegliedertes Bildungssystem einschließlich einer breit aufgestellten Vorschulerziehung vorzuhalten, das diesen Zwecken auch wirklich gerecht wird. Angesichts des maroden Zustandes eines Großteils unserer Schulen und Hochschulen und wegen mangelnden Ausbaus von Kita-Plätzen ist der Regierung wie all ihren Vorgängern in dieser Sache in der Tat eklatantes Staatsversagen vorzuwerfen. Das ist indessen nur eine Seite der Medaille. Keine Regierung der Welt kann für Unterschiede in der Wahrnehmung elterlicher Vorbildfunktion oder im Lernverhalten der Schüler zur Rechenschaft gezogen werden. Dasselbe gilt für die naturgemäß unterschiedlichen beruflichen Neigungen oder Lebensentwürfe junger Menschen sowie für in Generationenfolgen entstandene familiäre Vermögensverhältnisse. Alle diese Einflussfaktoren zusammengenommen haben ihren Anteil an der Gesamtbilanz von Arm und Reich.

Und diese Bilanz fällt dank unseres ziemlich krisenfesten und seinen Namen noch immer verdienenden Ordnungsmodells der Sozialen Marktwirtschaft besser aus als sie von manchen aufgemacht wird. Wer mit dem Verallgemeinern partieller Unzulänglichkeiten meint auf Stimmenfang gehen zu müssen und es zudem unterlässt, das Bilanzergebnis im internationalen Vergleich zu bewerten, hat anderes im Sinn als für den sozialen Frieden zu kämpfen. In umfassender Betrachtung zeigt sich, wie relativ unser Begriff von Armut ist und dass es einem Sakrileg gleichkäme, angesichts der tatsächlichen Elendsverhältnisse in weiten Teilen der Welt hierzulande von einem kritischen Ausmaß an wirtschaftlicher Armut zu sprechen.

Wenn als arm gilt, wer über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in einem der reichsten Länder der Welt verfügt, heißt dies, dass Teile der Bevölkerung statistisch ärmer werden, wenn insgesamt der reale Wohlstand steigt. Würde Bill Gates sich entschließen, seinen Wohnsitz nach Berlin zu verlegen, würde es nach dieser Lesart infolge seines Umzugs mit einem Schlag erheblich mehr arme Berliner geben. Es handelt sich bei unserem Typ von Wohlstandsarmut daher um einen Indikator, der nach dem Motto „Je mehr wir haben, desto mehr haben wir zu wenig“ nicht nur fatale sondern auch gefährliche Signale an die Politik sendet. Denn allein mit der verführerischen Absicht, den Geringverdiener durch Aufstockung der Sozialleistungen besser zu stellen, wird sich an seiner Lage wenig ändern.

Allerdings wird das strukturelle Ungleichgewicht staatlicher Ausgabenpolitik wachsen und den noch verbliebenen Spielraum für eine nachhaltige Befreiung aus der Armutsfalle einengen: das Saatgut staatlicher Mittel wird statt in angemessenem Umfang für Bildung, Forschung und Infrastruktur zum Einsatz zu kommen, im Vorgriff durch ausufernde Sozialausgaben verfrühstückt. Schlaglochstraßen, bröckelnde Brücken, überfüllte Hörsäle und fehlende Kita-Plätze sind die Folgen dieser unverzeihlichen Fehldisposition staatlichen Haushaltens. Soll über den Tellerrand einer populistisch erhitzen Armutsdebatte hinaus mehr Gerechtigkeit durch „Wohlstand für alle“ erreicht werden, führt kein Weg an der längst überfälligen haushaltspolitischen Wende zur Begrenzung konsumtiver zugunsten der Steigerung investiver Staatsausgaben vorbei.  

Ein zielführender Ansatz wäre es, in der Arbeitsmarktpolitik den Bedingungen von Globalisierung und Digitalisierung stärker Rechnung zu tragen. Die Akzeptanz neuer marktgängiger Arbeitszeitmodelle, konzentrierte Sparförderung zur Kapitalbildung in Arbeitnehmerhand, rigoroser Abbau der Jugendarbeitslosigkeit durch Überführung schwacher Schulabgänger in staatlich geförderte Ausbildungswerkstätten für Praktische Berufe und eine die Erwerbsbiographie des Einzelnen stärker durchdringende Verbindung von Arbeit mit beruflicher Weiterbildung wären machbare Ansätze, um die brachliegenden Kräfte der Gesellschaft wieder in produktive Bahnen zu lenken.

Einem generellen Manko herkömmlicher Beschäftigungspolitik wäre zu Leibe zu rücken: der ausschließlichen Fokussierung auf den monetären statt auch auf den partizipativen Aspekt der Erwerbsarbeit. Die tragende Idee der Agendapolitik, dass es bei der Verbesserung der Lebenschancen des Schwächeren nicht allein um Förderung gehen darf sondern zugleich um Fordern gehen muss, heißt nach Volker Gerhardt, Philosophieprofessor an der Berliner Humboldt-Universität und bekennender Sozialdemokrat, dass soziale Kälte im Unterlassen des Staates liege, dem Menschen dabei zu helfen, seine Lage aus eigener Kraft zu verbessern.

Hauptziel muss es sein, die Erwerbschancen der unteren Einkommensgruppen durch flexiblere Gestaltung des Einstiegs in multiple Beschäftigungsverhältnisse zu verbessern, wie dies heute in der globalisierten Wirtschaft in vielen Ländern Gang und Gäbe ist. Einen neuen Umgang mit der Zeit, insbesondere bei der „Rekonstruktion des Sozialstaats“ hatte Ralf Dahrendorf in seinem letzten publizierten Beitrag vor seinem Tod („Nach der Krise“, Merkur, Heft 5, 2009) angemahnt. Wir haben es bisher versäumt, das Zeit-Leistungs-Verhältnis des tradierten, aus dem Acht-Stunden-Rhythmus der Maschinenlaufzeiten im Industriebetrieb abgeleiteten Arbeitsbegriffs an die grundlegend veränderten Leistungsprozesse in der digitalisierten Wirtschaft anzupassen.

Das gilt vor allem für unkonventionelle aber wirksame Wege des Einstiegs im Niedriglohnsektor. Mit der Einführung eines standardisierten Teilzeitarbeitsmodells für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (Dienstleistungsschecks in Höhe von 400 Euro pro Monat bei 10 Stunden Teilzeitarbeit pro Woche, was einem systemischen Mindestlohn von 10 Euro entspräche) wäre es möglich, dem Produktivitätshandicap des Niedriglohnsektors durch Komprimierung des Arbeitseinsatzes beizukommen: Wenn der Anreiz zur Aufnahme dieser Tätigkeiten durch Freigabe von Mehrfachbeschäftigung nach eigener Wahl, verbunden mit belastungsgerechtem Zuschnitt bei Steuern und Abgaben und damit im Endeffekt auskömmliche Vollzeitarbeit geschaffen würde.

Auf diesem Wege wären auch flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne obsolet, die als sozialpolitische Mogelpackung ohnehin nur das Gegenteil von dem bewirken, was sie vom Namen her versprechen: Erwerbschancen im prekären Sektor des Arbeitsmarktes ohne Not zu zerschlagen, der Hartz-IV-Empfängergruppe verstärkten Zulauf zu verschaffen und die Schattenwirtschaft kräftig zu düngen.

Dem Gerechtigkeitsempfinden einer breiten Mehrheit entspricht es, dem Auseinanderdriften von Arm und Reich nicht nur durch Verbesserung der Einkommensverhältnisse der Geringverdiener sondern auf der anderen Seite ebenso durch Deckelung exorbitant hoher Managergehälter zu begegnen. Das in breiter Übereinstimmung von Politik und Medien hierzulande begrüßte Bürgerbegehren in der Schweiz zur Begrenzung der Managergehälter sollte allerdings auch auf seine tatsächliche Eignung zur Schließung der Gerechtigkeitslücke hin überprüft werden. Denn auch bei diesem Vorstoß scheint die Symbolpolitik der Problemlösung den Rang abzulaufen. Wenn nach dem Schweizer Modell künftig die Aktionäre darüber bestimmen sollen, wie hoch die Gehälter der Topmanager sein dürfen (was sie über ihre hälftigen Mitwirkungsrechte im Aufsichtsrat heute bereits tun), ändert das mit keinem einzigen Franken etwas an den Einkommensverhältnissen der geringer Verdienenden.

Es findet schlicht eine Einkommensverlagerung zwischen zwei Reichen-Gruppen, von den Topmanagern zu den Aktionären, statt. Allerdings mit negativer Wirkung auf die Steuereinnahmen. Schließlich werden nicht nur in der Schweiz die Kapitaleinkünfte der Aktionäre erheblich geringer besteuert als die Gehälter der Manager. Um im Sinne sozialer Gerechtigkeit der auseinanderdriftenden Einkommensverteilung beizukommen, sollten sich die Erwägungen einer Höherbesteuerung auf die wirklich exorbitant hohen Privateinkünfte aus Vermögen, nicht aber auf Einkommen aus Erwerbsarbeit, gerade auch nicht der Leistungseliten, ausrichten.

Es ist ohnehin verwunderlich, mit welcher die tatsächlichen Verhältnisse verzerrenden Optik in Deutschland die Bruttoeinkünfte von Großverdienern – wenn man von den unanständigen Auswüchsen etwa im Investmentbanking absieht – generell zum Gegenstand öffentlicher Erregung hochstilisiert werden,  wo doch die Hälfte dieses verteufelten Segens über die steuerliche Abschöpfung der Allgemeinheit zugute kommt. Nur dadurch, dass VW-Chef Winterkorn 14 Millionen Euro verdient, fließen von seinem Einkommen sieben Millionen Euro der Staatskasse zu, was 300 erwerbslosen Bürgern zu einem Transfereinkommen verhilt. Je höher die Einkünfte der Bürger, desto reicher der Staat. Was das in der Umkehrung konkret bedeutet, kann man an den sozialen Zuständen in vielen Ländern dieser Welt besichtigen. Mit Blick durch die ideologische Brille wird gern übersehen, dass der archimedische Punkt, in dem die soziale Kraft unseres Ordnungsmodells verortet ist, im Freiraum für die Leistungsfähigen liegt, den zum Teilen erforderlichen Mehrwert überhaupt erst zu erwirtschaften, bevor er der solidarischen Einbindung der sozial Schwächeren zugute kommen kann.

Es ist nun einmal so, dass die zehn Prozent Bezieher der höchsten Einkommen rund sechzig Prozent des Steueraufkommens aufbringen, während die nachfolgenden vierzig Prozent des leistungsstarken Mittelstandes zu dreißig Prozent und die unteren fünfzig Prozent entsprechend dem unserem Steuersystem zugrunde liegenden Prinzip der sozialen Belastbarkeit insgesamt nur zehn Prozent beitragen. Die aus dem rot-grünen politischen Spektrum in Permanenz erhobene Forderung, dem der starken Spreizung des Steueraufkommens zugrunde liegenden Auseinanderklaffen der Einkommen durch noch höhere Besteuerung der Reichen zu begegnen, um auf diesem Wege verbesserter gesellschaftlicher Wohlfahrt zu dienen, erweist sich indessen bei näherer Betrachtung als illusionärer Ansatz.

Übersehen wird der bei volkswirtschaftlicher Betrachtung zum Zuge kommende Multiplikator- bzw. Divisoreffekt. Aus der Philosophie der Antike ist das Gleichnis vom Armen und Reichen überliefert. „Würdest du deinen Reichtum mit mir teilen“ sprach der Arme, nachdem er vom Reichen ein kleines Almosen erhalten hatte, „könntest du aus einem Glücklichen zwei machen.“ „Lauf schnell mit deinem halben Dinar“, sprach daraufhin der Reiche „bevor ich mir überlege, das Glück noch zu vermehren und mit allen zu teilen. Dann müsstest du das meiste des eben Empfangenen wieder zurückgeben.“

Wollte man den zehntausend Topreichen im Lande eine Sondersteuer von pro Kopf einer Million Euro auferlegen, ergäbe das ein zusätzliches Aufkommen von zehn Milliarden Euro. Das ist für sich genommen eine Menge Geld. Der damit verbundene Umverteilungseffekt auf 80 Millionen Einwohner liefe aber auf nur bescheidene 120 Euro hinaus. Wollte man stattdessen lieber 1.000 Euro für jeden Einwohner durch Umverteilung locker machen, müsste die kleine Gruppe der Höchstverdiener mit 80 Milliarden Euro zur Kasse gebeten werden. Unterstellt, sie würden dann überhaupt noch im Lande bleiben, müssten zur Liquidation dieses Betrages Kapitalanlagen aufgelöst und in Konsumgeld umgewandelt werden, was volkswirtschaftlich betrachtet einer Vernichtung von Produktivkapital gleichkäme, die notwendigerweise mit einem Verlust von Arbeitsplätzen und künftigen Wachstumseinbußen verbunden wäre.

Auch der vermeintliche Ausweg zur Vermeidung dieser Negativeffekte auf den volkswirtschaftlichen Kapitalstock, die Umverteilung durch Ausweitung der Besteuerung auf mittlere Einkommen zu bewerkstelligen, wie dies die Wahlprogramme einiger Parteien in unterschiedlicher Staffelung vorsehen, führt erst recht in die Irre. Denn er käme einem Angriff auf die Leistungskraft jenes Teils der Erwerbsbevölkerung gleich, der der Motor unseres im Innern beargwöhnten, aber von aller Welt bestaunten Wohlstands immer war und auch bleiben sollte. Selbst auf Kosten der Ungleichheit, von der Immanuel Kant wusste, dass sie die Quelle so vieles Bösen, aber auch alles Guten ist.

Beitrag für „Agenda Arbeit 21“, 5.5.2013



 

 
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