Politik ohne Kompetenz löst kein Problem

Wolfgang Müller-Michaelis

Wolfgang Rose ist zuzustimmen, wenn er die Regeln benennt, unter denen die Diskussion um Grundfragen der Zukunft unseres Landes geführt werden sollte. Abweisung moralisierender und klischeebeladener Abgrenzungen, Eintreten für eine sachliche und inhaltliche Auseinandersetzung, für einen konstruktiven Wettbewerb der Ideen und Konzepte jenseits überkommener Welt- und Feindbilder mit dem Ziel, die besten Lösungen für die Praxis herauszufinden.

Der springende Punkt liegt allerdings darin, dass sich alle Beteiligten diesen Regeln auch wirklich unterwerfen müssen, wenn die Sache funktionieren soll. Davon aber scheint Wolfgang Rose wenig zu halten und stellt sich mit seinen zum Teil hanebüchenen Thesen selbst ins Abseits.

So behauptet er, den Menschen sei hierzulande die Chance auf Aufstieg und Selbstverwirklichung genommen. Die Biographien eines Großteils unseres Führungspersonals in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, auch seine eigene, beweisen aber das Gegenteil.

Er vertritt die These, Deutschland sei längst ein Billiglohnland und Steuern und Abgaben seien hier mit am niedrigsten. Tatsache ist indessen, dass unsere Anpassungsprobleme gerade darin bestehen, dass wir als eines der reichsten Länder der Welt mit hohem Bruttoeinkommensniveau unsere exorbitant hohe Steuer- und Abgabenlast senken müssen, um für die Masseneinkommen wieder mehr Netto vom hohen Brutto verfügbar zu haben.

Er behauptet, dass sich die von Dohnanyi vertretene Agenda-Politik mit Privatisierungen, Deregulierungen etc. als erfolglos erwiesen habe. Dem steht der Abbau der Arbeitslosigkeit und die seither verbesserte Wirtschaftslage entgegen. Dass es nicht noch besser läuft, liegt daran, dass die konsequente Umsetzung der Agenda-Politik von den vereinten linken Kräften im Lande so stark behindert wird. Dort, wo dies nicht der Fall ist, bei unseren kleineren europäischen Nachbarn, in Dänemark, den Niederlanden, in Österreich und in der Schweiz sprechen die Erfolge Bände.

Fazit: Mit der Methode Rose ist leider kein Staat zu machen. Woran das liegt, legt er selbst offen, indem er "Gerhard Schröders berühmtes Credo" zitiert, dass es keine linke oder rechte sondern nur eine richtige Wirtschaftspolitik gäbe – und es als Richtschnur politischen Handelns unbegründet zurückweist. Das Bemühen um sachliche Lösungen erfordert, so unbequem es sein mag, das intellektuelle Eindringen in die anstehenden Probleme. Das gilt für alle Fachgebiete, ganz gleich ob es sich um Medizin, Physik, Juristerei oder Wirtschaftspolitik handelt. Die Entscheidung im Operationssaal, an welcher Stelle und mit welchem Skalpell der Schnitt am besten zu führen sei, muss nun einmal dem Chirurgen überlassen bleiben. Eine Abstimmung darüber unter dem Pflegepersonal wäre wenig hilfreich, zumindest aus der Sicht des Patienten.

aus: Hamburger Abendblatt, 22./23. März 2008

 
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